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Mit Verve und Pathos

Ist der Flughafen die Stadt des 21. Jahrhunderts? „World Airports“, eine Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt, bejaht die Frage entschieden – und spart an kritischen Positionen

von MARC PESCHKE

Die Diskussion um den weiteren Ausbau des Rhein-Main-Airports ist noch lange nicht beendet. Viel Geld lässt sich die Fraport AG die Werbemaßnahmen für die Erweiterung kosten, zu denen jetzt auch die im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt präsentierte Ausstellung „World Airports“ gerechnet werden darf. In diesem Fall sind es nur rund 100.000 Euro an Sachleistungen: für die Fraport AG so gut wie nichts, für das von Haushaltskürzungen arg gebeutelte Museum eine ansehnliche Summe.

Die Problematik der Ausstellung liegt in ihrer Positionslosigkeit. Zur Diskussion um den Ausbau des Frankfurter Flughafens bezieht sie keine Stellung. Wie viel Flughafen brauchen die Städte rund um Frankfurt, wieviel ist nötig – und welchen Preis ist man bereit, dafür zu zahlen? Dazu erfährt der Besucher nichts. Virulent ist natürlich auch die Frage, inwieweit Sponsoren bei der Gestaltung einer solchen Schau mitreden. Natürlich weist die Direktorin des Museums, Ingeborg Flagge, hier jede Mutmaßung von sich. Dem Frankfurter Stadtmagazins Journal Frankfurt beschied sie: „Wir arbeiten absolut unabhängig. In dem Moment, in dem ein Sponsor bei den Inhalten mitreden will, ist die Kooperation beendet.“ Doch was, wenn der Sponsor gar keinen Grund hat, mitreden zu wollen? Hätte die Fraport AG auch eine pointiert kritische Ausstellung unterstützt?

So feiert die Schau in den ersten Räumen mit Fototafeln, Grund- und Aufrissen erst einmal die Bauhistorie und deren Ästhetik, die am Anfang gar nicht so glänzend war: Den Gebrüdern Wright diente 1903 noch eine Wiese als Landeplatz, ihr Hangar war aus Brettern gezimmert, denn erst mit dem Bedürfnis nach Zuverlässigkeit und Komfort entwickelte sich eine genuine Flughafenarchitektur.

Doch schon der 1909 eröffnete erste deutsche Flugplatz Johannisthal im Südosten Berlins erfüllte dieses Repräsentationsbedürfnis: Stehplätze für das schaulustige Volk, Tribünen für die Bürger. Flugzeugwerke, Fliegerschulen und die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt gruppierten sich nach und nach um das Flugfeld. 1919 eröffnete in Königsberg der erste Passagierterminal, zehn Jahre danach das von Hans Wittwer entworfene Flughafenrestaurant von Halle-Leipzig mit seiner feingliedrigen, nach allen Seiten transparenten gläsernen Vorhangfassade, die auffällige Ähnlichkeiten mit dem Dessauer Bauhaus erkennen lässt. Berlin-Tempelhof (1936–1939), Aeroporto Santos Dumont in Rio de Janeiro (1937–1944), John F. Kennedy International Airport (1956–1962), Aéroport Charles de Gaulle (1964–1974), Flughafen Berlin-Tegel (1974–1982) und Stansted Airport (1981–1991) waren Schlüsselbauten der modernen Flughafenarchitektur – Zeugnisse von Fortschrittsoptimismus und bedeutende Beispiele ihrer jeweiligen Architekturepochen.

Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf den Bauten der Gegenwart: Mit den neuen Flughäfen von Kuala Lumpur (Kisho Kurokawa & Associates), Hongkong (Foster & Partners), Sevilla (Rafael Moneo), München (Hans Busso von Busse & Partner), Washington (Cesar Pelli & Partner), Paris (Paul Andreu), Bangkok (Murphy & Jahn) und Berlin (von Gerkan, Marg & Partner) werden acht Architekturprojekte und ihre Architektenteams vorgestellt – vor allem mit Modellen, Fotografien, Luftaufnahmen und Architekturzeichnungen.

Allen neuen Projekte gemein sind die Verve und das Pathos, mit denen die Architekturaufgabe gemeistert werden: Flughäfen sind heute urbane, dynamische Zentren, die von Menschenströmen durchlaufen werden. Kleine und große Unternehmen aus allen Bereichen des Handels haben heute ihren festen Platz in diesem Architektursystem, das aus Passagierterminals, Flugsteig, Gepäckförderanlagen, Flugzeugterminals, Kontrolltürmen, Hangars, Lagerhallen, Parkhäusern, Hotels, Bahnhöfen und Verwaltungsgebäuden besteht.

Die Faszination Zukunft regnet glitzernde Sterne in der Frankfurter Schau – doch kaum jemand vermag abzusehen, wo das alles enden mag. Auch Kurator Manuel Cuadra nicht: „Nach der Geschwindigkeit zu urteilen, mit der sich Flughäfen in der Gegenwart entfalten, stehen wir erst am Anfang eines Prozesses, an dessen Ende der Flughafen wohl als Kern der Regionalstadt des 21. Jahrhunderts steht.“ Flughäfen sind heute abgeschlossene Gebilde, die sich durch Funktionalismus und unbedingte Ortlosigkeit auszeichnen.

Die Diskussion über die Idee vom „Flughafen als Stadt“ wird eine der wichtigsten Architekturdebatten der nächsten Jahre sein – das ist der richtige Grundtenor der Frankfurter Ausstellung. Dass dies nicht zwangsläufig auf Kosten von Natur und Landschaft gehen muss, zeigt der Frankfurter Architekturprofessor Ben van Berkel in seinem Katalognachwort. „Deep Planning“, Tiefenplanung, Verdichtung und Funktionsüberlappung sind die neuen Zauberworte der Debatte. Die Frankfurter Ausstellung und der Katalog bilden hierfür eine erste Diskussionsgrundlage – auch wenn sie die Brisanz der Gegenwart ausblenden.

„World Airports“. Bis 22. 9., Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt

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