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Eisschrank sucht Fan

Die München Barons heißen jetzt Hamburg Freezers. Das frisch getaufte Eishockey-Team soll Zuschauer und Kälte produzierende Firmen anlocken

„Ich bin wirklich bodenständig,aber Eishockey ist mein Leben“

von OKE GÖTTLICH

Josef „Beppo“ Schlickenrieder hat Pucks im Kopf. Seit 25 Jahren betreibt und liebt er das Spiel auf dem Eis so intensiv, dass er dafür sogar Bayern verlässt. In seinem Heimatort Reichersbeuren bei Bad Tölz lebt er mit seiner ganzen Familie – Mutter, Schwester, Frau und zwei Buben – in friedlicher Gemeinsamkeit.

Für den Co-Trainer der Freezers, „Ich bin wirklich bodenständig, aber Eishockey ist mein Leben“, bedeutet der Umzug der München Barons nach Hamburg die Abkehr von seiner Familie. Seine beiden Kinder und seine Frau werden Reichersbeuren nicht verlassen. „Die Jungs sind im Trachtenverein und haben ihre ganzen Freunde da“, sagt Schlickenrieder, der aufgrund der unvorhersehbaren Ereignisse im Trainerberuf nicht alle Wurzeln in Bayern abschlagen will. „Es ist schon sehr speziell für mich als Bayer“, räumt er ein wenig wehmütig ein, bevor er mit leuchtenden Augen über den Stolz darüber spricht, „von der Geburtsstunde an in Hamburg dabei sein zu dürfen“.

Ein wenig Skepsis schwingt in seinen Worten mit. Ähnlich wie bei allen anderen Beteiligten, die seit dem offiziellen Einverständnis der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) am 24. Juni 20 Wohnungen in München abgemeldet, 21 in Hamburg gemietet und außerdem neue Büroräume beziehen mussten. Einmalig in der Geschichte des deutschen Eishockeys. „Entsprechend groß war der Stress“, ergänzt der Freezers-Geschäftsführer Boris Capla, der momentan neben Sponsoren auch die Telefonanlage noch installieren muss.

Möglich gemacht haben diesen Stress vor allem die investmentinteressierten und millioneneschweren Unternehmer Phil Anschütz, dem mit seiner Firma Anschütz Entertainment Group (AEG) 70 Prozent der Freezers gehören, sowie Arena-Erbauer Harry Harkimo, der die restlichen 30 Prozent sein Eigen nennt. Beide haben viel Erfahrung in der globalen Strategie Immobilien, Programm und Management im Sport- und Entertainmentbereich aus einer Hand zu entwickeln, zu betreiben und zu vermarkten. Die Hamburg Freezers sind ein weiterer Club im Sportofolio beider Unternehmer, die gemeinsam die Geschicke von 16 Sportvereinen leiten.

Die Hamburg Freezers starten mit einem Etat von 2 Millionen Euro in die neue Saison. Vorrangiges Ziel von Trainer Sean Simpson ist es, in der ersten Saison unter die besten acht der Ersten Liga zu kommen. Ein realistisches Ziel, selbst wenn man bedenkt, dass die Schlittschuh laufenden Eisschränke bis zum ersten Heimspiel in der neuen Arena am 12. November gegen Köln zwölf Auswärtsspiele hintereinander absolvieren müssen.

Spätestens bis zum ersten Heimspiel soll der Eisplanet, frei nach dem Präsentationsmotto „Welcome on Planet Ice“ auch mit Werbung ausgestattet werden. Hierfür beauftragte die Geschäftsführung die Sportvermarktungsagentur „upsolut“, die unter anderem den FC St. Pauli berät. Trotz zu erwartender Sy-nergieeffekte zwischen den Projekten sieht „upsolut“-Vorstand Christian Toetzke das „Vermarktungspotenzial frühestens im dritten Jahr“ erreicht.

Denn erst mal müssen die Aliens aus dem Eis ein möglichst großes Fanklientel finden, bevor Kühlschrankhersteller oder Eisfabrikanten mit den Freezers werben wollen.

Fehlt nur noch ein Trachtenverein für die Söhne von Co-Trainer Beppo Schlickenrieder. Aber das sollte für die beteiligten Entertainment-Profis nun wirklich kein Problem darstellen. Freude schenken ist doch ihr Job.

Infos unter: hamburg-freezers.de; diese Woche jeden Tag von 10-12 Uhr und 18-19 Uhr Training in der Eissporthalle Farmsen, Berner Heerweg 152

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