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Der kranke Mann am Rhein

Köln, wo die Magic Media Company 35 Studios unterhält, sieht sich gerne als einen der wichtigsten Medienstandorte Europas. Nur: All die TV-Sender und Produktionsbetriebe können die riesigen Studioflächen in der Stadt nicht annähernd auslasten

Lange schon warnten die Kritiker, das Coloneum sei zu groß für die Bedürfnisse

aus Köln GEORG WELLMANN

Neun Fernsehsender sind hier ansässig, darunter RTL und die größte ARD-Anstalt WDR. Der „Big Brother“-Container wurde im Vorort Hürth errichtet, „TV Total“ sendet aus Köln, Harald Schmidt auch. Von Produktionsfirmen ganz zu schweigen.

Trotzdem steckt der Betreiber des größten Fernsehzentrums in Europa, die Magic Media Company (MMC), in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Nach dem Ausstieg der Brüder Helmut und Bernd Breuer als Gesellschafter sucht das Unternehmen nach neuen Geldgebern. Die MMC, an der zu weiteren 25 Prozent die ProSiebenSat.1 Media AG, die RTL Television GmbH und die Stadtsparkasse Köln beteiligt sind, betreibt insgesamt 35 Filmstudios im „Coloneum“ in Köln-Ossendorf und Köln-Hürth.

„Es ist kein Geheimnis, dass es in Köln zu viel Studiofläche gibt“, sagt Thorsten Rossmann, Konzernsprecher bei ProSieben: „Studiokapazitäten zu reduzieren ist aus ökonomischer Sicht die richtige Überlegung“, erklärt er. Die MMC plant nun, in den nächsten Monaten insgesamt sechs Studios mit einer Gesamtfläche von rund 5.000 Quadratmetern zu schließen. Aber nicht nur die schwierige Marktsituation hat die MMC an den Rand des finanziellen Ruins gebracht: Gegenüber dem Eigentümer der Studios, einem Immobilienfonds des Kölner Bankhauses Sal. Oppenheim und des Bauunternehmers Josef Esch, hat die MMC sich verpflichtet, zehn Jahre lang Miete zu zahlen – und hat seit längerem Probleme damit. Neben jährlichen betriebswirtschaftlichen Verlusten der MMC in Höhe von fünf bis zehn Millionen Euro sollen sich die Verluste aus dieser Mietgarantie bis 2008 auf 80 bis 100 Millionen Euro summieren, wie der Kölner CDU- Chef Richard Blömer erfahren haben will. Auch in einem 1999 für die Staatskanzlei erstellten Gutachten der Beraterfirma Kienbaum wird vor Verlusten gewarnt. Laut der Studie ging die Planung für den Zeitraum 1999 bis 2008 von einem Verlust in Höhe von rund 43 Millionen Mark aus – ohne die Mietverpflichtungen.

Initiiert und vorangetrieben wurde das Prestigeobjekt „Coloneum“ vom damaligen Kölner Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier (SPD), der nach seiner Amtszeit Geschäftsführer bei der Oppenheim-Esch-Holding wurde. Mit einem ähnlichen Finanzierungsmodell hatte Ruschmeier auch Europas größte Mehrzweckhalle, die KölnArena, errichten lassen. Dort veranlassten die hohen Mietbelastungen den Hallenbetreiber bereits nach einem Jahr zur Geschäftsaufgabe. Auch die beiden MMC-Gesellschafter Helmut und Bernd Breuer zogen jetzt die Notbremse und verkauften ihre Anteile an die LANA Beteiligungsgesellschaft GmbH, hinter der eine Kölner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft steht. Die Anteile werden von der LANA wohl nur vorübergehend gehalten, denn die MMC bemüht sich derzeit um einen Käufer – bislang vergeblich.

Auch Gespräche mit der direkten Konkurrenz, dem niederländischen Studiobetreiber NOB (Nederlands Omroepproduktie Bedrijf) führten zu keinem Ergebnis. Die acht Studios der NOB sind zurzeit nur mit 20 bis 30 Prozent ausgelastet. „Eine Beteiligung hat für uns keinen Sinn, da die MMC zu hohe Verluste macht“, erklärt Geschäftsführer Andre van Eijden. Nach seiner Einschätzung müssten im Kölner Raum bis zu 20 Studios vom Markt genommen werden.

Bereits vor dem Bau des 500-Millionen-Euro-Projektes hatten Kritiker darauf hingewiesen, dass das Coloneum am Bedarf vorbei geplant worden sei. Nach Brancheninformationen soll nun dem Cologne Broadcasting Center (CBC), einem Tochterunternehmen der RTL Group, ein Angebot der MMC vorliegen, die Mehrheit an der Betreibergesellschaft zu erwerben. In diesem Fall würden die 15 Studios in Hürth geschlossen und nur noch die 20 Studios im Coloneum weiter betrieben werden. Gespräche mit der MMC will das Unternehmen aber nicht bestätigen.

Parallel setzt MMC auf die öffentliche Hand. Vor zwei Jahren hatte die NRW-Landesregierung den Studiobetreiber mit neun Millionen Mark subventioniert. Hinzu kommt laut Kienbaum-Studie, dass die Stadtsparkasse Köln und das Multimedia Support Center Flächen von 6.000 Quadratmetern zu einem erhöhten Preis angemietet hat – ein Mehrertrag von jährlich zirka 540.000 Mark.

MMC-Geschäftsführer Sommerhäuser plädiert jetzt dafür, dass sich die landeseigene NRW Medien GmbH, die die Medienaktivitäten der Landesregierung koordiniert, an dem defizitären Studiobetrieb beteiligen soll. Deren Geschäftsführer Helmut G. Bauer allerdings hält ein finanzielles Engagement für unrealistisch. Die MMC-Geschäftsführung hat aber noch einen weiteren Wunschkandidaten: den Westdeutschen Rundfunk. Im Auftrag eines MMC-Gesellschafters berät der ehemalige Leiter der Stabsstelle für Medien der Landesregierung, Hans-Gerd Prodoehl, die MMC.

Prodoehl, inzwischen Geschäftsführer der Beratungsfirma TransConnect Consulting: „Es ist nicht nachzuvollziehen, dass ein Kölner Sender wie der WDR die Münchener Bavaria Film durch eine enge Kooperation finanziell unterstützt und gleichzeitig die Studios im Coloneum unter fehlender Auslastung leiden“, sagt er. Die Düsseldorfer Staatskanzlei wollte sich dazu nicht äußern.

Vor zwei Jahren bereits hatte der WDR über ein Engagement im „Coloneum“ nachgedacht. „Wir haben das damals eingehend geprüft und festgestellt, dass wir keinen Bedarf an weiteren Studios haben, und daran hat sich bis heute auch nichts geändert“, erklärt WDR-Sprecherin Gudrun Hindersin.

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