philipp maußhardt über Klatsch: Dumm knipst gut
In Italien ist kein Badehöschen zu klein, um nicht vergrößert zu werden. Aber das Essen schmeckt gut
Nicht, dass man die Deutschen für besonders intelligent halten müsste, aber sicherlich noch stärker überschätzt sind in dieser Hinsicht die Italiener. Die Liebe der Germanen zu den Nachfahren der Itaker und Etrusker muss ja darunter nicht leiden, und vielleicht ist es ja sogar das große Geheimnis dieser alten Zuneigung, dass, ist man schließlich in Arkadien angekommen, man dort auf ein Volk trifft, was einem geistig nicht gefährlich werden kann. So etwas beruhigt immer und macht gute Laune.
Das Verhältnis der Deutschen zu den Italienern ist durchaus vergleichbar demjenigen zwischen mir und meiner Tante Gudrun. So für voll nehmen kann man Tante Gudrun nicht, dazu ist sie zu trottelig. Aber sie kocht hervorragend und darum besuche ich sie so gerne. Dann sitze ich in ihrer Küche und genieße still.
Wie in Italien! Hinfahren und sich wohlfühlen, nur um Himmels willen nie anfangen, mit einem Italiener zu reden und wenn, dann bitte nur über Pasta, über Vino oder über die Wettervorhersage der kommenden Tage. Was an Themen darüber hinausreicht, ist in der Regel nur mit einer Kopfschmerztablette zu ertragen.
Erst gestern traf ich wieder einen, der wollte mir unbedingt erklären, warum er Berlusconi gewählt hat. Wir saßen vor der Bar auf dem Dorfplatz in der Sonne und nach wenigen Minuten musste ich, mein halb volles Weinglas zurücklassend und unter Vorgaukelung eines Schwächeanfalls, den Platz verlassen. Es war nicht auszuhalten.
Später fuhr er lässig auf seiner Vespa sitzend ohne Sturzhelm an mir vorüber und nickte mir mit seinem schwarzen Lockenkopf zu. Ein schönes Bild. Geistige Bescheidenheit ist oft sehr ästhetisch, ja erotisch. Dumm fickt gut.
Um mich in meinem durch die Jahre gefassten Urteil immer wieder zu bestätigen, werfe ich im Sommer gerne einen Blick in diejenigen italienischen Zeitschriften, die sich mit dem Strandleben der Prominenz im August befassen. Davon gibt es eine ganze Menge und sie nehmen im internationalen Vergleich des Schlüssellochjournalismus das Niveau ein, was Architekten beim Bau eines Hauses die Basisplatte nennen. Darunter geht nichts. Wir finden von der ersten bis zur letzten Seite dieser Blätter, die Vip, Novella oder einfach nur Visto – gesehen – heißen, Frauen vor Meer und Männerkulisse, die gerade ihr Bikinioberteil entweder anziehen oder ausziehen.
Hunderte von Fotografen verbringen die schönsten Tage des Jahres also hinter ihren Teleobjektiven, um ihre gierigen Redaktionen bedienen zu können. Keine Brustwarze, und gehöre sie auch nur einer drittklassigen Fernsehmoderatorin, wird ausgelassen, kein Badehöschen ist zu klein, um nicht vergrößert zu werden.
Paparazzi, was für ein schönes Wort! Es ist nicht nur deshalb in unseren deutschen Wortschatz eingebrannt, weil es kaum einen schöneren Ausdruck für einen anrüchigen Berufsstand gibt, sondern auch, weil in keinem anderen Land der Welt die Schamlosigkeit ihre Grenzen so weit ausgetestet hat wie eben in Italien. Fünf Jahre nach Lady Dis Tod redet zum Glück kein Mensch mehr über den Schutz der Privatsphäre. Jedenfalls nicht in Italien, einem Land, in dem als einem der ganz wenigen Länder das Sterbefoto der englischen Ikone im Tunnel von Paris veröffentlicht wurde.
Ein römischer Paparazzi, Luigi F., verriet mir einmal sein Geheimnis, immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Strand zu lauern. Bei mehreren tausend Kilometern Küste keine einfache Sache. „Die drittklassigen Fotomodelle, Schauspielerinnen und Moderatorinnen rufen mich selbst vorher an, um mitzuteilen, wann und wo sie baden gehen. Die zweitklassigen lassen ihren Manager anrufen, und die erstklassigen sind sowieso immer an denselben Orten zu finden.“ So einfach ist das. Hat Luigi aber wirklich einen Star vor der Linse, einen echten, weiblichen Star mit oben ohne, dann verwackelt er absichtlich die Fotos. „Das gibt ihnen den Charakter des Verbotenen.“
Endlich, auf Seite 96, kein nackter Busen, sondern das Rezept von Spaghetti alle vongole. Nur mit etwas Weißwein, Knoblauch und Petersilie. So müssen sie sein, so werden sie perfekt. Aber nicht vergessen, die Muscheln zwei Stunden im Kühlschrank zu wässern. Später den Sud ohne die Muscheln nochmals etwas einkochen. Ich liebe Italien.
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