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Energiewende rückwärts

Kohle und Atom statt Wind und Sonne? Union und FDP wollen die Antwort dem Markt überlassen, SPD und Grüne setzen auf erneuerbare Energien

von NICK REIMER

Bei der Energiepolitik ist es leicht. Auf kaum einem anderen Politikfeld lassen sich so einfach Unterschiede zwischen Regierung und Opposition ausmachen. Und zwar drastische. „Regenerativ“ heißt die rot-grüne Marschrichtung, „marktwirtschaftlich“ die von FDP und Union. „Die Energiewende ist zwar eingeleitet“, sagt die grüne Expertin Michaele Hustedt. Doch in der kommenden Legislaturperiode gehe es darum, sie unumkehrbar zu machen. Der CDU-Energieexperte Kurt-Dieter Grill sagt dagegen: „Es macht keinen Sinn, die Dächer in Deutschland weiter mit Solaranlagen zu pflastern.“ Er meint damit: Im Falle eines Regierungswechsels bleibt nichts, wie es ist.

Erneuerbare Energien: „Wir werden gezwungen sein, die Förderung erneuerbarer Energien Zug um Zug umzustellen“, sagt Matthias Wissmann, der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Man könne mit den 2,5 bis 3 Milliarden Euro Fördergeldern pro Jahr „einen wesentlich besseren Nutzwert erreichen, wenn wir stärker auf ökonomische Effekte setzen“.

Das heißt aber nicht, dass die Union gänzlich auf Förderung regenerativer Energie verzichten will. Der Energieexperte Kurt-Dieter Grill beschreibt das angedachte Fördersystem so: Eine bestimmte Summe Fördergeld wird festgelegt, um die sich Projekte in einem Bieterwettbewerb bewerben sollen. Ausgewählt werden sollen die Projekte, die mit dem niedrigsten Zuschuss für ihre Investition auskommen. Dieses Modell erzeuge hohe technische Effizienz, wertintensive Arbeitsplätze und die von der EU geforderte Transparenz, so Grill. „Das rot-grüne Gießkannenprinzip kostet uns am Ende des Jahrzehnts 10 Millarden Euro jährlich.“ Im Ergebnis würden auf diese Weise weit mehr erneuerbare Energien gefördert als beim undifferenzierten „Gießkannenprinzip“ der jetzigen Bundesregierung.

Ökosteuer: „Umweltverbrauch ist zu billig, Arbeit zu teuer – Deutschland muss notfalls im Alleingang eine Ökosteuer einrichten“, sagte der CDU-Vordenker Hans-Peter Repnik 1995. Und er wurde gehört: Im Zukunftsprogramm der CDU von 1998 steht: „Unser Steuer- und Abgabensystem macht gerade das teuer, was wir am dringendsten brauchen: Arbeitsplätze. Dagegen ist das, woran wir sparen müssen, eher zu billig zu haben: Energie- und Rohstoffeinsatz. Dieses Ungleichgewicht müssen wir wieder stärker ins Lot bringen, wenn wir unseren beiden Hauptzielen, mehr Beschäftigung und weniger Umweltbelastung, näher kommen wollen.“ Was kümmern alte Programme: Im Falle seines Wahlsieges, erklärte Stoiber, werde die Union die „bereits beschlossene Ökosteueranhebung zum 1. Januar 2003 streichen und die Ökosteuer insgesamt abschaffen, sobald wir finanzielle Spielräume im Haushalt haben“. Diese Gefahr besteht allerdings nicht so schnell: Allein in diesem Jahr rechnet das Bundesfinanzministerium mit 14 Milliarden Euro Einnahmen aus der Ökosteuer.

Die SPD steht zwar zur Ökosteuer, will sie aber nach Angaben von Fraktionsvize Michael Müller „nicht weiter ausbauen“. Die Abgabe müsse in Verbindung mit anderen, zum Teil EU-weit wirkenden Instrumenten weiterentwickelt werden, so Müller eher nebulös.

Energieeffizienz: Bei allen Unterschieden gibt es auch gemeinsamkeiten. Alle Parteien wollen in der nächsten Legislaturperiode der Energieeinsparung besondere Anstrengung widmen. Für die bündnisgrüne Energieexpertin Michaele Hustedt ist die Effizienzfrage „die Entscheidende“.

Liberalisierung: Das immerhin ist ein Grund, die CDU zu wählen. Wenn er Wirtschaftsminister wird, kündigte Lothar Späth an, wird nach dem Vorbild der Telekommunikation eine Regulierungsbehörde für Energie eingerichtet. Es könne doch wohl nicht sein, „dass Neulinge in der Gas- und Stromwirtschaft mit den alten Platzhirschen direkt verhandeln müssen, zu welchen Preisen sie ihre Produkte durch deren Netze leiten dürfen“.

Wahlkampf-Enten hält die FDP bereit. Sie verspricht, den Kohleabbau unter bebautem Gebiet gesetzlich zu stoppen. Das geht gar nicht so schnell, schließlich sind alle Bergbauprojekte auf Jahre hinaus in Rahmenbetriebsplänen geregelt. Und um die Akzeptanz erneuerbarer Energien „nicht zu gefährden“, dürfe ihr Einsatz „nicht gegen den Willen der Bürgerinnen und Bürger vor Ort erfolgen“. Deshalb will die FDP den Kommunen und ihren Bürgern mehr Klagemöglichkeiten gegen Windräder einräumen.

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