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Ketten sprengen

Der FC St. Pauli startet morgen gegen Frankfurt in eine ungewisse Zweitligasaison. Dietmar Demuth und Joachim Philipkowski erklären, warum sie nicht lebenslänglich in der 2. Liga eingesperrt bleiben

von OKE GÖTTLICH

„Lebenslang FC St. Pauli.“ Das Motto mit dem der Bundesligaabsteiger die neue Zweitligaspielzeit überschreibt ist eines für die Ewigkeit. Das Mannschaftsfoto wurde vor der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel geknipst. Spielern wurden die Hände mit Handschellen hinter dem Rücken befestigt und die Autogrammkarten gleichen Set-Cards für Häftlinge.

Die fanbindende Kampagne ist die einzig vorhersehbare Konstante eines unvorhersehbaren Saisonverlaufs. Abgeleitet aus der Lebenslang-Kampagne gilt deshalb: Liga Zwei, St. Pauli bleib(t) dabei.

Trotz des Kurzausflugs in die 1. Bundesliga ist der Klub bei einem Mini-Etat von 4,5 Millionen Euro weiter zum soliden Sparen gezwungen. Der sofortige Wiederaufstieg wird nicht finanziell erzwungen. Wichtiger bleibt die mittelfristige Entwicklung des Teams und der Infrastruktur. Das Trainergespann Dietmar Demuth und Joachim Philipkowski über Gefängnisse, neue Spieler und moderne Spielsysteme.

taz hamburg: Es gibt Tendenzen, die auf eine frühzeitige Entlassung des Trainerteams des FC St. Pauli aus der lebenslangen Haft in der JVA Santa Fu hindeuten. Freuen sie sich auf die Freiheit?

Dietmar Demuth: Lebenslänglich 2. Liga wäre wirklich nicht schön.

Mal ehrlich, belasten sie die Gerüchte, dass sie bei schlechtem Saisonstart von der Mannschaft getrennt werden, nicht?

Demuth: Ich habe weiterhin ein so gutes Verhältnis zum Präsidium, dass ich mir sicher bin, dass mein Stuhl nicht gleich kürzer gemacht wird. Auch wenn dieser Druck immer da ist und auch schon da war, als ich einen sogenannten „Freifahrtschein“ nach dem Erstligaaufstieg ausgesprochen bekam. Wenn man dem nicht standhält, muss man sich aus dem Profifußball zurückziehen.

Joachim Philipkowski: Aus meiner Sicht sind die Vorwürfe unberechtigt und aus der Luft gegeriffen. Zu spekulieren, bevor der Ball überhaupt wieder rollt ist total überflüssig. Außerdem niveaulos und ohne Stil.

Also doch lebenslang St. Pauli?

Demuth: Pipel und ich ergänzen uns in jeder Hinsicht. Auch in der, dass wir diesen Fußball und diesen Verein lieben.

Welchen zum Verlieben geeigneten Fußball wird ihre Knasttruppe denn bieten?

Demuth: Nach dem unser Herzstück, das Mittelfeld, ja weggebrochen ist, vertrauen wir erstmal auf unseren vorhandenen Kader. Auch wenn wir bis zum 31.8. noch auf der Suche nach ein bis zwei neuen Spielern sind, die uns sofort weiterhelfen können. Besonders in der Defensive haben wir aber viel probiert und die Spieler mal auf fremden Positionen Spielpraxis sammeln lassen.

Von der Viererkette haben sie sich aber bereits befreit.

Demuth: Wenn ich das schon wieder höre. Erstens braucht man die Spieler dafür und außerdem spielen wir eine noch modernere, liberofreie Taktik, weil sich zu den zwei Verteidigern, die Gibbs und Stanislawski heißen können, Held, Racanel und/oder Traub zurückziehen.

Gibt es einen Fluchtversuch aus der 2. Liga?

Demuth: Klar, aber wenn dann nach oben.

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