Der größte Liberale aller Zeiten

Das Wahrheit-Wahlporträt. Heute: Guido Westerwelle (FDP), Kanzlerkandidat (Teil 1)

Mit zwölf hatte Guido einen Freund, der heimlich rauchte, auf Lunge, dann auf Hose

Wo immer der böse Schwelbrand einer krebsartig explodierenden Staatsbürokratie die zarten Knospen der freien Wirtschaft wie mit Schraubenschlüsseln zu ersäufen droht, ist er zur Stelle: Guido Westerwelle. Unter seiner Führung wandelte sich die kleine, unbedeutende FDP, die in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nie zu mehr taugte als zum Mitregieren, zu einer schlagkräftigen, blaugelben Partisanenarmee, die überall aus dem Unterholz bricht, wo die Gegner von Leistung, Einsatz und Verantwortung sich ins hohe Gras lümmeln.

Zugleich begann die Partei unter ihrem Großen Vorsitzenden Westerwelle aus dem Kellerloch der Opposition heraus den langen Marsch auf die Wahlurne, mit dem Ziel, die satte Bundestagsmehrheit von 18 Prozent zu erringen. Mit einigem Erfolg auf Aussicht, denn der 1961 geborene Guido Westerwelle hat die Zügel der Zeit erkannt.

In den alten Zeiten, als das Versprechen noch geholfen hat, verhieß man den Wählern einfach Tüten voller Geld, die Heilung aller Krankheiten und die Weltherrschaft. Glückseligkeit ohne Grenzen, Frohlocken ohne Unterlass und ewiges Leben gehörten zum Wahlprogramm jeder halbwegs erwachsenen Partei. Doch Macht und Ruhm, Aufklärung über den Sinn des Lebens und ein unwiderleglicher Gottesbeweis schön und gut – heute ist das Stimmvolk anspruchsvoller geworden. Guido Wellerweste begriff als Erster, wie man das Interesse der Wählerinnen und Wähler bei den Mitbürgerinnen und Mitbürgern unter den Menschen wirklich erregt: Sie wollen etwas erleben, wollen Katastrophen, von denen sie noch in tausend Jahren ihren Enkeln erzählen können.

Also ließ sich Guido Westerweckel pressewirksam grünen Krokodilen vorwerfen, die nur durch eine Mauer von ihm getrennt waren, ging nackt in eine Sitzung des Bundestages. Vor laufenden Radiomikrofonen hielt er die Hand in kochendes Wasser, um liberale Standfestigkeit zu demonstrieren. Vor surrenden Kameras lief er mit bloßem Oberkörper über Glasscherben, mit nichts als schweren Stiefeln an den Füßen. Einem indischen Fakir gleich schafft er es immer wieder, lebendig einzuschlafen, und ähnlich einem buddhistischen Mönch, der das ganze Leben schweigt, kann er genauso lange reden – und ebenso wenig sagen.

Guido Wellerwestel ist ein Mann, der anders ist. Bereits im Kinderhemd rebellierte er mit liberaler Leidenschaft. An manchen Tagen aß der freidemokratische Dreikäsehoch seinen Teller nicht leer, manchmal hatte er kein sauberes Taschentuch eingesteckt. Mit zwölf hatte Guido einen Freund, der heimlich rauchte, auf Lunge, dann auf Hose. Mit 14 hätte sich der freidemokratische Flegel beinah betrunken – zu spät stellte er fest, dass in seinem Glas Milch war, kein Wodka. Ein Schulkamerad fuhr ein frisiertes Mofa, von einem anderen Mitschüler hatte er gehört, dass es nackte Frauen geben soll. Dabei blieb es dann.

Von den Babyfüßchen aufwärts war Guido Westerwindel ein liberaler Wildfang, der die Freiheit mit beiden Daumen saugte. 1980, mit achtzehn, bekannte Guido Westerwalle sich dann öffentlich zu seiner Behinderung und schloss sich der FDP an. Im selben Jahr gründete er eine Selbsthilfegruppe für unmündige Erwachsene, die Jungen Liberalen. 1994, als seine Krankheit bereits chronisch war, wurde er Chefsekretär der FDP und arbeitete ein neues Therapieprogramm aus, die Wiesbadener Grundsätze. 1996 hatte er es geschafft: Nach 35 Jahren Wartezeit wies man ihm einen Platz im Bundestag zu, dem deutschlandweit renommiertesten Pflegeheim für liberale Patienten und alle, die unheilbar an Politik erkrankt sind.

Zwar können die Symptome des Leidens dort nicht gelindert, geschweige die Ursache der Erkrankung kuriert werden. Doch wenigstens steht jeder Sieche unter ständiger Beobachtung, so dass die Öffentlichkeit in jedem einzelnen Fall über den Krankheitsverlauf informiert ist und rechtzeitig gewarnt wird, wenn Dr. Guido Wichtelwelle ein neuer Krankheitsschub ereilt und er sich plötzlich über den Länderfinanzausgleich in der Kriegsfolgeregulierungsverregelung verbreitet, sich zur Freigabe der Abgabe von Beigaben als Aufgabe der Bundeszugabenpolitik äußert oder über das fehlende Thema in der ausgefallenen Sitzung des inexistenten Parlamentsausschusses für nicht vorhandene Inhalte spricht. PETER KÖHLER

Teil 2 des Westerwelle-Porträts morgen