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Die Union steht im Regen

Plötzlich ist Umweltpolitik wieder ein Thema, doch in Stoibers Team ist keiner kompetent

BERLIN dpa ■ Kein Ton von der Union: Seit Tagen flimmern die Bilder überschwemmter Städte und fassungsloser Menschen über die Bildschirme. Die jüngsten Wetterkatastrophen haben den Themen Klimawandel und Umweltschutz zu neuer Popularität verholfen. Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) darf in etlichen Sendern einer plötzlich sehr interessierten Öffentlichkeit rot-grüne Umweltpolitik erklären – lange unwidersprochen von CDU und CSU.

Ausgerechnet die größte Oppositionspartei lässt die Umweltpolitik im Wahlkampf buchstäblich links liegen, das Wetterchaos hat sie nun kalt erwischt. Im „Kompetenzteam“ von Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) ist überhaupt niemand für die Umwelt zuständig. „Man muss Prioritäten setzen“, begründet das eine CDU-Sprecherin. Der Umkehrschluss freilich lautet: Umweltpolitik hat keine Priorität für die Union.

„Das Thema ist im Moment nicht emotionsbehaftet“, meinte der Unions-Vizefraktionschef und Umweltexperte Klaus Lippold (CDU) noch am Montag zu der Frage, warum für Umwelt kein Platz war in der Stoiber-Mannschaft. Diese Einschätzung dürften vor allem die Hochwassergeschädigten nicht mehr teilen. Schon zum Zeitpunkt der Aussage war in vielen Regionen Land unter, Stunden später entsetzten die Bilder der Wassermassen die Zuschauer zahlreicher Sondersendungen.

CDU-Chefin Angela Merkel, die unter Kanzler Helmut Kohl selber Bundesumweltministerin war, sagt: „Wir haben viele wichtige Themen. Aber es muss nicht für jedes wichtige Thema einen Experten geben.“ Und sie beeilt sich zu versichern: „Umweltschutz und Klimaschutz werden auch unter CDU und CSU weiter groß geschrieben.“

Für Rot-Grün, seit Wochen im Umfragentief, ist das Schweigen der Union eine Steilvorlage. „Stoiber hat in der Umweltpolitik nichts zu bieten – weder Personen noch Inhalte“, sagt Trittin. Grünen-Chef Fritz Kuhn nennt den Unionskandidaten einen „ökologischen Ignoranten“.

Zur Freude von Rot-Grün könnte das Thema weiter eine prominente Rolle spielen. Durch die Wetterkapriolen bekommt der übernächste Woche beginnende UN-Weltgipfel in Johannesburg, bei dem Umwelt- und Klimaschutz zentrale Themen sein werden, eine ungeahnte Popularität. Nicht zum ersten Mal könnte sich die Bundesregierung als internationaler Vorreiter im Umweltschutz profilieren.

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