: Bürgerin Rabus
Katrin Rabus ist eine selbstbewusste und auch eine gekränkte Galeristin. Als Lehrerin kam sie vor über 20 Jahren nach Bremen – seitdem nimmt sie als kulturpolitisches Schwergewicht am öffentlichen Leben der Stadt teil. „Horch in Dich rein, und mach was Du willst, das geht in Bremen“
Mit dieser Antwort hätte man am allerwenigsten gerechnet. Auf die Frage, warum Katrin Rabus als erfolgreiche Galeristin nicht in eine andere, bedeutendere Stadt geht, sagt sie: „Ich will nicht zu sehr Konkurrent sein. Ich würde immer sehr schnell aufgeben.“
Aufgeben? Katrin Rabus?
1979 ist sie aus Frankfurt nach Bremen gekommen mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern. In der Krefelder Straße haben sie gewohnt, am Osterholzer Friedhof. „Ich dachte damals, das sei stadtnah“. Gearbeitet hat sie als Lehrerin an der Gesamtschule im Ellener Feld. Heute ist Katrin Rabus Bremens bekannteste Galeristin – wenn nicht mit ihrer Galerie an der Findorffer „Plantage“ dann doch auf jeden Fall mit ihrem Einsatz für die Bremer Kulturszene. Je enger die Stadt den Gürtel schnallt um die ohnehin nicht gerade gut genährte Dame Kultur, desto mehr setzt Katrin Rabus dem entgegen. Und Aufgeben wäre in dieser Sache wahrscheinlich das Letzte, was ihr einfiele.
Schulterschluss mit den Mächtigen
Mit der Kulturinitiative „Anstoß“ hat sie – gemeinsam mit anderen Größen der Stadt, mit Theaterdirektor Klaus Pierwoß, mit Ex-Bildungssenator Horst von Hassel, mit Ex-Baustaatsrat Jürgen Lüthge – den Kontakt zu den Mächtigen gesucht. „Anstoß“ gastierte in den Prunkhallen des Rathauses und machte gemeinsame Sache mit der Handelskammer. Der Münchner Direktor des angesehenen Konzerthauses Gasteig ließ sich ebenso vor den Anstoß-Karren spannen wie der Salzburger-Festspiel-Leiter Gerard Motier. Als underdog nämlich wollte Katrin Rabus den Scherfs und Perschaus dieser Stadt nicht entgegentreten. Mit gestandenem Bürger-Charme und einem Selbstbewusstsein, das neidisch macht, beansprucht sie ihren Platz auf den oberen Rängen.
Revolution findet dort freilich nicht statt. Der Schulterschluss mit den Großkopferten setzt der Einmischung Grenzen. Das Sanierungsprogramm etwa, das die große Koalition einseitig auf Investitionen ausrichtet, geriet erst spät und dann auch eher flüchtig in die Schusslinie von Anstoß. Katrin Rabus argumentiert für die Kultur als Wirtschaftsfaktor, nicht als einen Bereich, der, um gut zu sein, dem Ökonomischen fremd bleiben muss.
Unmut richtete sich daher zuweilen gegen die, „die doch nur ihre bürgerliche Kultur retten wollen“. Die auch im Rathaus ihren Mund noch aufkriegen und nicht verstehen können, dass es Anderen anders geht.
Dabei ist Katrin Rabus keinesweg mit dem goldenen Löffel im Mund geboren. „Kunst spielte bei uns zu Hause keine Rolle“, sagt sie, aber Kleinbürger, nein, das seien ihre Eltern nun auch wieder nicht gewesen. „Dafür waren sie zu frei“. Vor allem aber „haben sie mich selbstbewusst gelassen“. Als Mädchen vom Land – aufgewachsen ist Katrin Rabus mit ihrem kleineren Bruder in Butjadingen – hat sie beim Lehramtsstudium in der Großstadt Berlin „erst mal auf den Deckel gekriegt“. Politik, Geschichte und Romanistik waren ihre Fächer, alle drei kamen zur Anwendung bei Auslandsaufenthalten in Frankreich. Ab 1963 gab sie Schulungen für Gewerkschafter, macht workcamps mit Jugendlichen: „Alles, bevor das hier Mode wurde. Da habe ich mich durchgesetzt. Da kommt die Geltung durch das, was du tust“. 1968, wieder in Berlin, ist ihr die revolutionäre Szene fremd. Und übrigens auch die Frauenbewegung. Stattdessen tritt sie 1968 in die SPD ein, „mit dem Wunsch, politisch zu handeln“. Mit Willy Brandt – für den sie noch 1988 Wahlkampf gemacht hat – habe es „diesen Aufbruch im Bildungssystem“ gegeben, „und ich hatte das gute Gefühl, ich bin bei der Reform dabei“.
„Alles auf mich zugeschnitten“
Dann trifft sie auf einer Algerien-Reise ihren Mann, Werner Rabus. „Das war einer, den hätte ich in meinen ganz politischen Zeiten gar nicht gesehen“. Ein Ingenieur, ein Naturwissenschaftler, der aber Geige spielte, aus einem musischen Elternhaus stammte. Und dann auch noch sportlich war. „Er fuhr Ski, mein Gott“, wundert sie sich noch heute über die Gräben, die sie – „ich war schon immer unsportlich“ – von ihrem Mann trennten.
Mit ihm steigt sie ein ins Bildergeschäft, zunächst aber auf der Käuferseite. „Wir lebten in Wohnungen, da gab es mehr Bilder als Möbel“. Dabei sei sie diejenige gewesen, die mehr gewagt hätte, modernere Kunst gekauft hätte, auch wenn sie – so steht es in einem alten taz-Artikel – manchmal lieber gut Essen gegangen wäre.
Ihr Mann spielt bis heute eine große Rolle. Er stärkt ihr mit einem kurzen Nicken den Rücken bei öffentlichen Auftritten, er kommt, wenn in der Galerie Rabus eine Veranstaltung ansteht und hilft ohne viel Aufhebens. Vielleicht würde man Einiges an Rollen-Klischees finden in dieser Beziehung. Vielleicht. Was man ganz sicher finden würde, sind Episoden, in denen Katrin Rabus ganz unbeschwert von höheren und blutleeren Zielen – zu denen für sie auch der Feminismus zählt – ihre eigenen Ziele verfolgte. „Ich habe immer alles auf mich zugeschnitten“, sagt die fast 60-jährige im Rückblick.
Als dem Ehepaar Rabus Ende der Siebziger mit zwei kleinen Kindern die Stadt Frankfurt „zu anstrengend wurde“, bekam ihr Mann einen Job in einer Bremer Kanzlei. „Ich wusste, er geht in einen Hochleistungsberuf“. Sie kümmerte sich um die Kinder, so war die Abmachung. „Aber ich wollte auch nicht nur Gattin sein“. Eine Weile noch unterrichtete sie am Ellener Feld. Keine schöne Erinnerung: Obwohl die Gesamtschule das ideologische Nonplusultra war „saßen die Realschullehrer in der einen und die Gymnasiallehrer in der anderen Ecke“. „Bremen und sein Schulgesetz hatten einen tollen Ruf in Frankfurt, aber es war in Wirklichkeit sehr arbeitnehmerhaft und entsetzlich bürokratisch.“
Ermutigung durch die Künstler
Sie ließ sich beurlauben, fing an, das Haus der Familie für kleinere Kunstausstellungen zu nutzen. „Die Kinder gingen fürs Wochenende zu Oma, und ich räumte Kinderzimmer und Schlafzimmer aus und hängte Bilder auf.“ Sie bekam Zuspruch von Freunden und Künstlern, schließlich zog die Familie nach Schwachhausen – und reservierte eine Etage für die Ausstellungen. „Den Weg vom Bekannten zum Unbekannten, den brauchte man in Bremen gar nicht gehen. Denn man kannte hier gar nichts“, berichtet sie über ihren Anfang als Galeristin. Acht bis zehn Jahre habe man damals einer Galerie zugestanden, bis sie läuft – oder eben nicht. Katrin Rabus hat sich dafür ein Konto bei der Post eingerichtet. Mehr als 1.000 Mark hätte sie nicht überziehen dürfen. „Sonst hätte ich dicht gemacht“. Schließlich kündigte sie ihre Stelle. „Ich bitte um Entlassung aus dem Schuldienst, den Brief hab ich noch irgendwo“, zitiert sie und ist noch heute ein bisschen stolz. „Die Künstler haben mich zu diesem Schritt ermutigt, die auch ohne Netz arbeiten.“
Schließlich mietet sie die Räume an der Findorffer Plantage. Zwischen Fitnessstudio und Tankstelle liegt attraktiv aber wenig repräsentativ ihr heutiges Reich.
Kunst kaufen muss einfach weh tun
Es ist aber nicht alles eitel Sonnenschein. Galeristinnen gehören zu einer Spezies, die es schwer hat in der Kunstszene. Sie vermarkten Kunst, und Künstler sind auf sie angewiesen. Aber sie gelten auch als die Zurichter der Kunst für den Markt. Katrin Rabus ist auf eine Art gekränkt: „Der Sammler wird honoriert, der Mäzen, der Spender – das wird alles gesellschaftlich anerkannt. Nur die Galerien werden abgedrängt in die kommerzielle Ecke“. Die einfachen Zuschreibungen – Galerien sind kommerziell, Museen ideell – sind ihr zuwider. „Ein Museumsdirektor hat doch auch seine Crew und seine Vorlieben“, trotzt sie dem Vorwurf, sie würde nur noch ihre gängigen und Lieblingskünstler ausstellen.
Und wie bei ihrem Anstoß-Engagement kann sie in der Berührung von Kunst und Ökonomie nichts Falsches finden. Im Gegenteil. „Die Galerie ist ein Ort, an dem der Einzelne künstlerische Erfahrungen macht. Und das wird intensiver, wenn man ein Kunstwerk kauft. Dann muss man abwägen.“ Und es muss weh tun: „Das muss mindestens ein Monatseinkommen sein. Sonst wird es niedlich.“ Angesprochen auf Galerien aber, in denen es nur ums Verkaufen geht, verzieht sie gequält das Gesicht: „Man muss sich den Kunstmarkt als einen der konventionellsten vorstellen“, stellt sie, ernüchtert nach langen Jahren mittendrin, fest. „Ich habe alle Kunstzeitschriften abbestellt“ und auch auf Messen fährt sie seit 1999 nicht mehr. Zu spekulativ sei ihr das geworden, zu unübersichtlich. Nicht nur Gekränktheit spricht aus ihren Entscheidungen, sondern auch das Selbstbewusstsein von einer, die weiß, was gut ist. „Ich habe hervorragende Kunst nach Bremen geholt.“
Zu ihrem Verständnis als Galeristin zählt daher auch die Einmischung in Kulturpolitik. Und diesem Engagement zollt die Stadt Respekt. „Ich hab mich vor Jahren beworben auf einen Posten im Rundfunkrat, das war im Weser-Kurier im Kleingedruckten ausgeschrieben“. Sie hat den Posten dann auch gekriegt „obwohl ich damals gar keinen Fernseher hatte“. Dann hat sie sich natürlich einen angeschafft. Mittlerweile ist Katrin Rabus auch im Programmbeirat bei arte.
Dass man sich einmischen muss, ist für sie eine Selbstverständlichkeit. „Die Leute gucken doch auch auf einen, man hat Verantwortung.“ Verantwortung, die in Bremen von zu wenigen Menschen wahrgenommen wird: „Die Leute hier trauen sich ihre Rolle nicht zu“, beklagt sie dann doch einen Aspekt des Bremer Kultur-Bottichs. „Verdruckst“ seien viele Leute hier, sagt sie, und sucht nach treffenderen Worten. „Hier ist eben alles sehr korporativ“.
Den Spaß haben ihr die vielen Nicht-Angriffs-Pakte, die in dieser Stadt geschlossen werden, aber noch nicht verdorben. „Horch in Dich rein und mach was Du willst – das geht in Bremen“, schwärmt sie und spricht über ihr jüngstes und aufsehenerregendes Projekt „Look of the Sound“. Thema: Musik im Fernsehen. „Da kommt alles zusammen. Was ich in den Rundfunkräten gelernt habe, die Ehrfurcht vor den Künstlern, der Veranstaltungsbetrieb“. In zwei Jahren will sie das Projekt wiederholen, hier, in Bremen. Obwohl schon größere Städte an der Idee interessiert sind.
Elke Heyduck
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