DIE ÖSTERREICHISCHE REGIERUNG INSTRUMENTALISIERT DAS HOCHWASSER
: Nothilfe statt Abfangjäger

Das letzte Regenwölkchen ist noch nicht verschwunden, da dräut Österreich neues Unheil. Die Souveränität des Landes steht auf dem Spiel, wenn man die Beteuerungen der Regierung vom Vormonat ernst nimmt. Damals hieß es, die Verteidigung Österreichs bedürfe mindestens zweier Staffeln von Abfangjägern, also 24 Stück. Und der Vorschlag von SPÖ und Jörg Haider, auf das teure Kriegsgerät zugunsten der Flutopfer zu verzichten, wurde als billiger Populismus zurückgewiesen. Denn es sei unzulässig, die Kosten der Landesverteidigung gegen Katastrophenhilfe aufzurechnen; außerdem sei die erste Rate erst in drei Jahren fällig.

Doch auf einmal ist alles anders: Am Donnerstag verkündeten Kanzler Wolfgang Schüssel und seine Stellvertreterin Susanne Riess-Passer, angesichts der enormen Schäden könnten nur 18 statt 24 Eurofighter gekauft werden. Zwar hieß es gerade noch, die vereinbarten Gegengeschäfte würden den Abfangjägerkauf zu einem profitablen Deal machen. Rückhalt in der Bevölkerung hatte das Rüstungsgeschäft aber nie: 68 Prozent der Wähler lehnen es ab. Die Regierung, die auf die Hochwasserkatastrophe zu spät reagierte, kommt der Mehrheit damit einen Schritt entgegen.

Zusätzlich befreit das Flutdesaster Schüssel & Co aus einem peinlichen Dilemma. Vom Ende der Neuverschuldung wird sich der Finanzminister nun mit einer plausiblen Ausrede verabschieden. Angesichts der düsteren Konjunkturprognosen wäre es ohnehin nicht zu halten gewesen. Mit klammheimlicher Erleichterung blies die Regierung – ohne Gesichtsverlust – auch die versprochene Steuerentlastung ab. Wirtschaftsexperten warnen schon lange vor wahltaktischen Geschenken. Außerdem konnten sich die Regierungsparteien nicht einigen, wen sie begünstigen wollten: die Wirtschafttreibenden, traditionell Klientel der ÖVP, oder die Kleinverdiener und Minderausgebildeten, Anhänger der FPÖ. Zwar hätte die Regierung vor den Wahlen im nächsten Jahr dringend ein „Zuckerl“ verabreichen wollen. Doch das wird jetzt durch den Kollateralnutzen der Katastrophe mehr als aufgewogen. RALF LEONHARD