: Grünes Licht für roten Libanesen
Auf dem 5. Hanftag in Nürnberg trafen sich rund 250 Cannabis-Sympathisanten, um für die Legalisierung der weichen Droge zu demonstrieren. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth kam nach Franken, um vor der Kifferversammlung zu reden
aus Nürnberg SEBASTIAN SEDLMAYR
Als Claudia Roth in ihrem Wolfsburger „Reformmotor“, ihrem Wahlkampfbus, auf den Nürnberger Jakobsmarkt rauscht, ist der Hanftag dort eigentlich schon vorüber. Die Grünen-Chefin hastet aus dem Wagen, stolpert fast über ihren Schal, umarmt die grüne bayerische Jugend, die seit sieben Stunden auf ihre Claudia gewartet hat.
Zum 5. Hanftag in Nürnberg hatte der Landesarbeitskreis Drogen der Grünen Jugend Bayern eingeladen. Zusammen mit dem Deutschen Hanfverband und unterstützt vom Berliner Hanf Journal sollte für die Legalisierung ihrer Lieblingsdroge demonstriert werden: Cannabis. Claudia Roth war als prominente Gastrednerin angekündigt.
Einige Stunden vor Roths Ankunft, am Mittag, zeigt sich die gotische Lorenzkirche im Zentrum der Stadt pittoresk eingerahmt: links ein Stand von Attac, rechts ein Tapeziertisch von Atomkraftgegnern, etwas abseits die SPD – und mittendrin der Lkw der Grünen Jugend, drapiert mit selbst gemaltem Hanfblatt auf Rastafahne. Davor sammeln sich Kinder, Jugendliche, ein paar Ältere.
Die Kiffer sind noch müde. Sie fläzen sich in der Augustsonne, Rauch steigt nur von wenigen Filterzigaretten auf. Ines sagt „Hi!“ Sie hievt sich am Mikrofon hoch und muss die traurige Nachricht verkünden, dass Claudia Roth bei den Opfern der Flutkatastrophe in der Oberpfalz ist, dass Claudia später auf der Gegenveranstaltung zum Rudolf-Heß-Gedenktag sprechen wird, dass sie wahrscheinlich gegen 19 Uhr eintreffen wird. Die Reaktion des Publikums: ein kaum hörbares „Hm“.
Aber die kurze Betrübnis ist gleich verflogen. Helles Gelächter, als Werner Graf die Bühne betritt und Mut zuruft: „Das ist hier eine der größten Legalisierungsveranstaltungen in Bayern!“ Der Sprecher des Deutschen Hanf Verbandes meint, es liege weniger an den Grünen, dass die goldene Zeit des roten Libanesen in Deutschland noch nicht angebrochen ist. Die Schuldigen stünden ein paar Meter weiter: „Stürmt den SPD-Stand!“ Dort diskutieren zwei Bundestagsabgeordnete mit aufgeregten Passanten über Wirtschaftsreformen und Vertriebenenpolitik. „Da hinten stehen unsere Papas, aber wir stehen lieber hier“, sagt eine Jungsozialistin.
Während Graf die kleinen Erfolge aufzählt – „Bravo hat einen Cannabis-Kultanhänger rausgebracht“ –, sagt ein Älterer, was alle denken: „Seit 40 Jahren warte ich auf die Legalisierung.“ Melancholisch fügt er hinzu: „Ich habe schon mit dem Joschka gekifft – in jungen Jahren.“
Die Demo ist eigentlich viel zu laut. Der Ragga aus den Boxen verhindert jegliches Gespräch. Eine alte Frau am Straßenrand schaut grimmig. Ob sie weiß, wofür diese Menschen hier demonstrieren? „Was? Bei dem Krach verstehe ich sowieso nix. Aber wenn Sie mich fragen: Die sollten alle in die Hochwassergebiete geschickt werden!“ Später hat sie den Sinn der Demonstration verstanden. „Hanf ist eine Faserpflanze“, fachsimpelt sie, „ich würde empfehlen, sich nicht zu oft daran zu berauschen.“
Der Zug trifft auf dem Jakobsmarkt ein. Die Zeit drängt, die Veranstaltung ist nur bis 19 Uhr genehmigt, Claudia ist immer noch nicht in Sicht. Bands spielen Rockmusik. In den Pausen lastet eine bleierne Ruhe über den Hanfsympathisanten. Die letzte Band, „La Boum“, stellt sich vor mit: „Wir sind Claudia Roth aus Nürnberg.“
Dann ist Claudia Roth endlich da, hockt sich lässig auf die Bühne, legt los: „Was ist in den letzten vier Jahren passiert?“ Die Antwort kommt prompt: „Nix!“ Claudia Roth wehrt sich: Mehr Hilfe statt Strafe bei den harten Drogen, Schluss mit der Behauptung, es werde eine drogenfreie Gesellschaft geben und so weiter. Braver Applaus.
Zum Schluss das Motto: für Entkriminalisierung und Legalisierung von weichen Drogen! Die jungen Kiffer müssen glauben, sie hätten einen Flash-back. Nach zehn Minuten ist Claudia Roth fertig. Eine Traube junger Grüner umringt sie. „Wenn ich mit engen Hosen durch den Bahnhof gehe, passiert nichts. Wenn ich weite Skaterhosen anhabe, werde ich gefilzt“, empört sich ein Junge. Claudia Roth ist ebenfalls empört. Aber sie ist auch müde. Flut, Nazis und jetzt noch Kiffer im Laberflash. Die Vorsitzende der Partei, die angetreten ist, Haschischkonsumenten aus der Kriminalisierungsfalle zu holen, nimmt sich noch zwei Cannabisbiere mit und freut sich sichtlich auf ein bisschen Ruhe.
Die Kiffer ziehen weiter in die Nürnberger Südstadt – zur Hanfparty, wahrscheinlich der einzigen Party des Jahres im „Z-Bau“, auf der kaum gekifft wird. Schließlich ist die Polizei vorgewarnt.
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