Vom Alternativpädagogen zum Millionär

Der Begründer der Tvind-Bewegung, Amdi Petersen, steht wegen Steuerhinterziehung und Betruges vor Gericht

Amdi Petersen wartet auf seinen Prozess. Am Montag erklärte er sich dazu bereit, von den USA an Dänemark ausgeliefert zu werden. Mehr als ein halbes Jahr saß er im Knast in Los Angeles in Auslieferungshaft. Angesichts des Strafvorwurfs, der ihm wegen Steuerhinterziehung und Betruges in Dänemark gemacht wird, kann der 63-Jährige damit rechnen, bald wieder frei zu sein.

Amdi Petersen war Tvind, damals, zu Beginn der Siebzigerjahre, als ein linkes Wohn- und Arbeitskollektiv sich zu einem pädagogischen Experiment entwickelte. Er hatte eine persönliche Ausstrahlung, rhetorisches Vermögen und die Fähigkeit zu überzeugen. Pädagogik hatte er studiert und wurde 1965 gleich in seinem ersten Lehrerjob gekündigt, weil er lange Haare, einen wilden Bart und „unordentliche Kleidung“ trug.

1970 gründete er die „Reisende Hochschule“ und später das „Notwendige Seminar“. Alternativschulen, die auf dem Konzept gründeten, Ausbildung mit praktischer Arbeit gegen Armut und Ausbeutung in der Dritten Welt zu verbinden. Es war ein Versuch, den „revolutionären Menschen“ zu schaffen. „Das Ziel der Arbeit mit den Schulen ist, Menschen auszubilden, die imstande sind, an der großen historischen Aufgabe unserer Generation teilzunehmen: der Vorbereitung und Durchführung einer gesellschaftlichen Umwälzung“, formulierte Petersen 1974 sein Ziel.

Die „Tvindmühle“ war das Symbol und für viele der Anlass, sich für das pädagogische Experiment Tvind zu engagieren. Eine Windmühle – nicht nur Resultat einer kollektiven Bauaktion, sondern auch ein konkretes Argument gegen die Atomenergie und die Macht des Kapitals. Ende der Siebzigerjahre waren mehrere Schulen aufgebaut worden und die ersten Vorwürfe über psychischen Terror und Gehirnwäsche wurden laut. Abgesprungene Tvind-MitarbeiterInnen verglichen Tvind mit einer Sekte, deren Guru Petersen sei.

1979 tauchte Petersen unter und hatte seither offiziell keinerlei Position mehr in einem Tvind-Konglomerat inne, dessen Schwerpunkt sich in den Achtziger- und Neunzigerjahren vom Schulbetrieb zugunsten von Engagements auf eigenen Plantagen in vielen Ländern Südamerikas und Afrikas verschob. Im Februar 2002 gab es wieder ein aktuelles Foto von Petersen. Ein Polizeifoto mit der Nummer 21047-112 des FBI. Dänische Polizei und FBI hatten ihn heimlich mehrere Monate verfolgt. Sie kamen Petersen, der nach Meinung der dänischen Staatsanwaltschaft noch immer die Fäden des Tvind-Imperiums zieht, auf Fisher Island vor Miami auf die Spur. Mehr als 10 Millionen Euro soll sich Petersen durch Steuerhinterziehung und Betrug angeeignet haben.

Den dänischen Behörden passt es nicht, dass die privaten Tvind-Schulen zwar öffentliche Schulgelder kassieren, der Staat aber nichts an Steuern zurückbekommt. Alle LehrerInnen und Angestellten entzogen sich der Steuerpflicht durch Zahlungen an einen speziellen Tvind-Fonds „zur Unterstützung humanitärer Zwecke und Förderung von Forschung und Naturschutz“. Nach Meinung der dänischen Polizei gingen die Summen aber in den rein kommerziellen Betrieb von Plantagen. Seit Jahren werfen Medien Tvind vor, ein äußerst gewinnträchtiges Unternehmen zu sein. Das nun anstehende Gerichtsverfahren bringt vielleicht etwas Klarheit über das Tvind des Jahres 2002. REINHARD WOLFF