piwik no script img

Stoppt die Flut den Elbausbau?

Bundeskanzler fordert Verkehrsminister auf, Ausbaupläne zu prüfen. Schröder will Konzerne stärker belasten. Union ist uneins über Verschiebung der Steuerreform. Erste Schadensbilanzen sind höher als erwartet. Deiche weiter in Gefahr

BERLIN taz ■ Der Bundeskanzler stellt den Elbausbau offenbar in Frage. Gerhard Schröder hat Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) gestern nahe gelegt, die Pläne zu überprüfen. Dies erfuhr die taz aus regierungsnahen Kreisen. Bisher hatte der Verkehrsminister immer wieder betont, die Bundesregierung halte am Elbausbau fest. Der Kanzler soll Bodewig außerdem dafür kritisiert haben, dass die Wasserbauexperten im Ministerium mögliche Argumente gegen einen Elbausbau nicht sorgfältig genug prüfen würden.

Umstritten sind unter anderem der Ausbau am Domfelsen in Magdeburg, bei Dömitz und bei Wittenberge. Der Sprecher des Bundesverkehrsministers, Felix Stenschke, bestätigte, dass der Kanzler den Elbausbau thematisiert habe. Bodewig habe daraufhin eine nationale Flusskonferenz vorgeschlagen.

Auch in Steuersachen reagierte der Kanzler gestern auf Kritik. Er zeigte sich erstmals bereit, die großen Unternehmen mit einer einmaligen Steuererhöhung zu belasten, um den Wiederaufbau in den Flutgebieten zu finanzieren. „Uns ist jeder zusätzliche Beitrag recht“, sagte Schröder nach der Kabinettssitzung.

Dies war ein Zugeständnis an die Union. Diese hatte kritisiert, dass die geplante Verschiebung der zweiten Stufe der Steuerreform um ein Jahr auf 2004 vor allem kleine Firmen und Normalverdiener belaste.

In einer ersten Reaktion der Union kündigte Fraktionschef Friedrich Merz an, dass man die Verschiebung der Steuerreform weder im Bundestag noch im Bundesrat blockieren werde. Kanzlerkandidat Edmund Stoiber äußerte sich hingegen verhalten: Man habe sich noch nicht abschließend festgelegt.

Allerdings wäre eine Blockade im Bundesrat nicht einfach: Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) hatte gestern erneut wissen lassen, dass er jedem Vorschlag zustimmen werde, der ein „angemessenes Volumen“ an Hilfe festsetzt.

Schröder will die Verschiebung der Steuerreform schon nächste Woche in den Bundestag einbringen; im September soll sie dann verabschiedet werden. Man werde den Bundesrat „bitten“, auf einer Sondersitzung über die Verschiebung zu entscheiden. Schon für heute Abend hat Schröder alle Ministerpräsidenten zu einer Hochwasser-Sondersitzung ins Kanzleramt geladen.

Die Lage an den Deichen blieb unterdessen weiter angespannt. Nachdem sich die Flutwelle auf der Elbe inzwischen auseinander gezogen hat, ist weniger die Rekordhöhe, sondern ihre enorme Dauer das Problem. Sie weicht die Deiche stetig auf und birgt die Gefahr immer neuer Deichbrüche. Weiter werden täglich tausende Menschen evakuiert. Hitzacker wurde teilweise überflutet. Laut Bundesregierung sind 50.000 Helfer in den Krisenregionen, darunter 30.000 Soldaten der Bundeswehr. Mehr als 30 Millionen Sandsäcke liegen entlang der Elbe.

Erste Schätzungen zum Schaden gab gestern Sachsens Finanzminister Horst Metz (CDU) ab. Die Höhe liegt weit über den ersten Befürchtungen: Allein in Sachsen vernichtete das verheerende Hochwasser Werte von rund 15 Milliarden Euro, so Metz. Insgesamt hat das Paket des Bundes bisher ein Volumen von 9 Milliarden Euro. Bislang gingen ca. 35 Millionen Euro an Privatspenden bei den Hilfsorganisationen ein. KATHARINA KOUFENULRIKE HERRMANN

report SEITE 6, inland SEITE 8wirtschaft SEITE 9

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen