: Tückische Terrorliste
Somalische Schweden wurden jetzt von der US-Terrorliste gestrichen. Sie wurden zu Unrecht ihrer Rechte beraubt
STOCKHOLM taz ■ Zwei Schweden somalischer Herkunft sind gestern von der „Terrorliste“ der US-Regierung gestrichen worden, die nach dem 11. September über Personen und Gruppen angelegt wurde, die mutmaßlich das Terrornetz al-Qaida unterstützen. Nachdem die USA im Juni Verstorbene und nicht mehr aktive Talibandiplomaten von der Liste strichen, gesteht Washington mit der Streichung der beiden Somali jetzt erstmals ein, Unschuldige in der Liste geführt zu haben.
Abdirisak Aden und Abdulasis Ali beteuerten von Anfang an, keinerlei Beziehung zu al-Qaida und anderen Terrorgruppen zu haben. Nach einigem Zögern setzte sich auch Schwedens Regierung für sie ein und verlangte von Washington eine Begründung. Mehr als den Hinweis auf die Tätigkeit der beiden im Stockholmer Büro des somalischen Bankensystems al-Baraka’at gab es aber nicht. Trotzdem übernahmen der UN-Sicherheitsrat und die EU ungeprüft die US-Liste als eigene Liste.
Damit wurden die Somalis nicht nur schwer beschuldigt, sondern auch alle ihre Konten gesperrt. Schwedens Behörden mussten wegen des EU-Beschlusses auch Sozialhilfe und andere Zahlungen verweigern. Fortan versorgte ein Solidaritätskomitee – von den Behörden geduldet – die Beschuldigten. Im April erreichte Schweden, dass das US-Finanzministerium eine Liste mit 67 Fragen schickte. Die werteten die Betroffenen als Erpressung, antworteten aber doch, weil das die einzige Möglichkeit eines Streichens von der Liste war. Sie mussten über ihren Hintergrund, Kontakte, Reisen sowie familiäre und ökonomische Verhältnisse berichten und versichern, mit bestimmten Organisationen keine Kontakte gehabt zu haben und künftig mit al-Baraka’at nicht mehr zu verkehren.
Von den ursprünglich drei Somali-Schweden auf der Liste unterschrieb Ahmed Yusuf die Erklärung erst nach Zögern, da er sich nicht diktieren lassen wollte, mit wem er sympathisieren dürfe. Warum er nicht von der Liste gestrichen wurde erfuhr er ebenso wenig, wie die beiden anderen, warum sie jetzt unverdächtig seien. Washingtons angebliche Beweise, die Schwedens Geheimdienst Säpo im Dezember einsehen durfte, bezeichnete dieser schon damals als „unzureichend auch nur für ein Ermittlungsverfahren“. Schweden wandte sich noch gestern an UNO und EU, um auch dort die Korrektur der Terrorlisten zu erreichen. In Stockholm verhehlt man nicht, dass man bei der Kritik an der ungeprüften Übernahme der US-Liste außer bei den skandinavischen Nachbarn und Frankreich von keinem anderen EU-Land unterstützt wurde. In Berlin habe Stockholm weder beim Kanzler noch beim Außenminister ein offenes Ohr gefunden. REINHARD WOLFF
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