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Verpflichtung für reiche Staaten

Mit den heutigen Konsum- und Produktionsmustern ist die Welt in 50 Jahren nicht mehr zu halten, heißt es im jüngsten Entwicklungsbericht der Weltbank. Die Politik müsse den Kurs ändern und den Drittweltländern mehr Chancen verschaffen

von KATHARINA KOUFEN

Ohne eine radikale politische Kursänderung werden in den nächsten Jahren soziale Unruhen und Umweltprobleme dramatisch zunehmen. Und dieser Richtungswechsel muss von den reichen Ländern ausgehen. Zu diesem Schluss kommt die Weltbank in ihrem jüngsten Entwicklungsbericht, den sie gestern in Washington veröffentlicht hat.

Dieser Warnung liegen deutliche Zahlen zugrunde: Die Bank geht davon aus, dass die Weltwirtschaft in den nächsten 50 Jahren um das 4-fache wachsen wird. Gleichzeitig wird sich die Bevölkerungzahl weltweit von sechs auf neun Milliarden Menschen erhöhen. Gemeinsam werden alle Länder ein Bruttoinlandsprodukt von 140 Billionen US-Dollar erwirtschaften. „Eine Welt mit einer solchen Wirtschaftsleistung ist mit den heutigen Produktions- und Konsummustern nicht zu halten“, warnte Chefökonom Nicholas Stern.

Schon jetzt bedrohen Umweltschäden und Klimaveränderungen den Wasserhaushalt vieler Regionen. Die Weltbank weist darauf hin, dass deshalb Land unfruchtbar wird, Feuchtgebiete verschwinden, Tier- und Pflanzenarten aussterben, Wälder zerstört werden. Bereits heute müssen 1,3 Milliarden Menschen in einer extrem lebensfeindlichen Umwelt leben – an Berghängen, in Wüstenregionen oder stark verschmutzten Gebieten. Bis 2025 werden schätzungsweise drei Viertel der Weltbevölkerung nicht weiter als 100 Kilometer vom Meer entfernt leben. Das, so warnt die Weltbank, wird zu einer enormen Belastung der Ökosysteme führen.

Verschärft werden die Umweltprobleme durch die zunehmende Urbanisierung. Die Weltbank schätzt, dass 2050 zwei Drittel der Menschheit in Städten wohnt. „Die Anforderungen an Energie, Wasser, Unterkunft und Bildung werden gewaltig sein“, heißst es in dem Bericht. Allein der Wasserverbrauch werde in den nächsten dreißig Jahren um die Hälfte steigen.

Damit noch mehr Armut nicht zu noch mehr sozialen Spannungen führt, fordert die Weltbank die Industrieländer auf, immer wieder angemahnte Maßnahmen zugunsten der Entwicklungsländer endlich einzuleiten: die Märkte für Produkte aus Entwicklungsländern zu öffnen. Die Agrarsubventionen von derzeit einer Milliarde US-Dollar pro Tag abzubauen. Mehr Geld für die Hilfe in armen Regionen bereitzustellen. Und den Entwicklungsländern mehr Schulden zu erlassen als bisher. Die Weltbank mahnt: Das Einkommen in den 20 reichsten Ländern ist heute bereits 37-mal so hoch wie in den 20 ärmsten Ländern.

Von den Regierungen der Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika verlangt die Weltbank vor allem mehr Transparenz, Demokratie und Rechtssicherheit für die Bevölkerung. Auch die Armen müssten sichere Pachtverträge erhalten. Das ist in vielen Ländern ein Problem, weil brach liegendes Acker- und Bauland oft einfach bebaut oder bewirtschaftet wird. Monate oder Jahre später melden sich dann die rechtmäßigen Besitzer oder die Behörden vertreiben die Besetzer.

Damit die Erde das enorme Wirtschaftswachstum verkraftet, muss Energie zudem sauberer und effizienter eingesetzt werden. Lobend erwähnt der Bericht die Einführung von bleifreiem Benzin in vielen Ländern.

Mit Blick auf den am Montag in Johannesburg beginnenden Erdgipfel forderte die Umweltorganisation Greenpeace, die Teilnehmer müssten sich verpflichten, den Anteil an erneuerbaren Energien bis 2010 auf 10 Prozent zu erhöhen. Die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) spricht gar von einer Erhöhung auf 15 Prozent. Ob dies gelinge, sei aber „vom Druck auf die USA und andere Länder abhängig“.

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