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Der Amoklauf des Jörg Haider

Die Ankündigung des Kärntner Landeshauptmannes, die Steuersenkung doch noch vor den Wahlen 2003 durchzuziehen, wird in der FPÖ mit Unmut quittiert. Parteichefin Riess-Passer stellt im Falle eines Sonderparteitages ihr Amt zur Disposition

aus Wien RALF LEONHARD

Sollte im Herbst ein Sonderparteitag der FPÖ einberufen werden, würde sie für den Parteivorsitz nicht mehr zur Verfügung stehen. Das erklärte Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer in einem am Sonntag im Kurier veröffentlichten Interview. So deutlich hatte sich die FPÖ-Chefin noch nie von ihrem Vorgänger und Mentor Jörg Haider abgegrenzt. Haider will den Sonderparteitag, um dort die von der Regierung verschobene Steuersenkung vor den Wahlen 2003 doch noch durchzusetzen.

Nebenbei würde er sich, so Gerüchte bei den Freiheitlichen, drängen lassen, den Parteivorsitz wieder zu übernehmen. Seine Rechtfertigung: Der FPÖ-Parteitag im vergangenen Juni habe die Steuerentlastung beschlossen, nur der Parteitag könne diesen Beschluss aufheben. Der FPÖ-Vorstand, der am Montag in Absprache mit dem Koalitionspartner ÖVP unter Hinweis auf die Hochwasserschäden die Steuersenkung verschoben hatte, sei dazu nicht befugt gewesen.

Haiders Amoklauf hat auch in der eigenen Partei Kopfschütteln hervorgerufen. Zumal laut Umfragen 63 Prozent der Österreicher Verständnis für die Verschiebung der Steuerreform zeigen. Für jedes Wahlzuckerl, so die auf Erfahrung gegründete Befürchtung des Wahlvolks, würde nach der Wahl mit neuen Belastungen die Rechnung serviert.

Ein Parteitag kann vom Parteichef einberufen werden, von einem Drittel der Delegierten oder von fünf der neun Landesorganisationen. Da Riess-Passer ihren Sturz nicht selbst inszenieren will, braucht Haider Verbündete. Außer seiner Kärntner Landesgruppe kann er nur auf seine treuen Vasallen in Wien und Oberösterreich zählen. Wenn die Erinnerung an die überfluteten Städte und Dörfer zu verblassen beginnt, könnten aber weitere Landesverbände umschwenken.

Vielen Freiheitlichen ist die Rolle ihrer Minister zu zahnlos, sie wünschen sich längst die Rückkehr Haiders an die Parteispitze. Anders als die ÖVP konnte die FPÖ nicht durch medienwirksames Anpacken im Katastrophengebiet punkten. In den Umfragen hat die Koalition ihre Mehrheit verloren, Rot-Grün auch nach dem Hochwasser die Nase vorne. Deswegen brachte sich Haider mit dem Beharren auf der Steuerentlastung ins Spiel. „Das bisschen Regen“ sei kein ausreichendes Motiv für das Abgehen vom Koalitionsabkommen. Die Menschen in den nicht betroffenen Gebieten seien dreifach geschädigt: durch die Spendenkampagnen, die Verdoppelung der Spenden mit Steuergeldern und das Ausbleiben der versprochenen Steuerentlastung.

Sollte Haiders Putsch fehlschlagen, droht die Kärntner Landesgruppe mit Abspaltung. „Unsere Kärntner Abgeordneten hätten allein schon Fraktionsstärke“, so Haider kürzlich. Riess-Passer hält das für eine leere Drohung: „Da höre ich schon das Triumphgeheul unserer Gegner … Da wäre alles weg, wofür wir 15 Jahre gearbeitet haben.“

meinung Seite 12

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