: Politik funkt der Polizei dazwischen
Die deutsche Polizei ist ganz begeistert von ersten Tests ihrer neuen Funkgeräte. Digitaltechnik soll illegales Mithören beenden. Doch bei der Umsetzung in der EU gibt es Probleme. Frankreich hat schon anderes System und will sich nicht mehr umstellen
von OTTO DIEDERICHS
Für die Polizei im Dreiländereck bei Aachen hat die Zukunft bereits begonnen. Seit einem Jahr testen dort deutsche, belgische und niederländische Beamte die digitale Funktechnik „Tetra 25“ (Terrestrial Trunked Radio).
Der Pilotversuch ist der erste Schritt zur Umrüstung aller Polizeien der EU auf das neue Kommikationssystem. Es gilt als verschlüsselbar und abhörsicher. Ohne weiteres sollen Verbindungen ins Telefonnetz und später auch Übertragung von Daten und Fotos möglich sein. Das wäre das Aus für den guten alten Polizeifunk, den Gauner und Reporter illegalerweise mithören.
Neben Bundesgrenzschutz und Bundeskriminalamt, Zoll und Verfassungsschutz nehmen auch die Feuerwehr und weitere Hilfsorganisationen an dem Versuch teil. Die Rheinisch-Westfälische Hochschule Aachen begleitet das Projekt wissenschaftlich. Rund 8 Millionen Euro kostet Bund und Länder der Testlauf mit knapp 1.000 Funkgeräten.
In Belgien und den Niederlanden sind Tetra-25-Systeme bereits installiert. In Deutschland sollte das insgesamt rund 9 Milliarden Euro teure System eigentlich bis zur Fußballweltmeisterschaft 2006 einsatzbereit sein. Doch der Zeitplan ist kaum noch einzuhalten, denn um zwei Jahre hat sich die Planung bereits verzögert.
Dass die neue Technik noch nicht ganz fehlerlos funktioniert, ist dabei nicht das Hauptproblem. Die entscheidenden Schwierigkeiten liegen auf politischem Gebiet. Da Frankreich bei Polizei und Rettungsdiensten bereits vor zehn Jahren mit dem System „Tetrapol“ eine digitale Funktechnik eingeführt hat, will Paris nun nicht noch einmal mit Millionenaufwand auf eine ähnliche Funktechnik umstellen.
Zudem arbeiten auch die Polizeien der Tschechischen Republik, der Slowakei und Rumäniens mit „Tetrapol“, was eine mögliche EU-Osterweiterung nicht einfacher machen würde. „Tetrapol“ allerdings fehlt der festgelegte „Euro-Standard“. Es gilt als zu langsam und schwerfällig und ist mit Tetra 25 zumindest derzeit noch nicht kompatibel.
Doch auch in Deutschland selbst sind sich die Innenminister über die Frage Tetra 25 oder „Tetrapol“ nicht gänzlich einig. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) befürchtet deshalb bereits, dass es letztlich darauf hinauslaufen könnte, dass es am Ende zu verschiedenen Systemen kommt und die Kommunikation dann erschwert oder unmöglich werden könnte. „Ausgesprochen unerfreulich“ nennt auch der Chef der Abteilung Information und Kommunikation der Berliner Polizei, Ulrich Bechem, die Diskussion um Tetra 25. Die gemeinsame Linie „bröckelt schon“, sagt Bechem. Ein eigenes Pilotprojekt mit dem Digitalfunk, das Ende 2000 in einer Berliner Polizeidirektion gestartet wurde, sei hingegen bisher positiv verlaufen. Auch Bundeskriminalamt und Bundesgrenzschutz seien schon „ganz gierig“ darauf.
Wie auch immer: Bis der Verkehrspolizist in Köln, Hamburg oder Stuttgart bei der Überprüfung eines verdächtigen Fahrzeuges schon durch Eingabe des Kennzeichens auf dem Display seines neuen Funkgerätes erkennen kann, ob der Wagen als gestohlen gemeldet ist, wird noch einige Zeit vergehen. Und auch verdächtige Personenen müssen zur Überprüfung ihrer Personalien weiterhin mit auf die Wache. Wirklich begonnen hat die digitale Zukunft für die deutsche Polizei eben doch noch nicht.
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