piwik no script img

Abkehr vom Trend

Mountainbiken war einmal sehr in und wurde deshalb sogar olympisch. Nun muss die Szene erkennen, dass die fetten Jahre vorbei sind. Nur die Telekom-Tochter T-mobile sieht das anders

aus Kaprun SEBASTIAN MOLL

Mutige Investitionen waren in den vergangenen Jahren das Markenzeichen der Telekom AG – ob bei der Beteiligung an anderen Firmen, dem Erwerb neuer Technologien oder im Sport-Sponsoring. Die Förderung des Mountainbike-Sports durch die Telekom-Tochter T-mobile ist zwar keine Investition einer Größenordnung, die für den Milliarden-Konzern in die Kategorie Risiko fallen würde, mutig ist sie dennoch. Denn T-mobile fing genau zu dem Zeitpunkt an, sich für den einstigen Trendsport zu interessieren, in dem die meisten anderen Sponsoren das Interesse daran verloren: Seit einem Jahr finanziert T-mobile ein Profiteam und bei der WM, die derzeit in Kaprun stattfindet, ist T-mobile sogar Titelsponsor. Mit diesem Engagement fährt das Unternehmen frontal gegen den Wind: In die ersten Tage der „T-mobile-Weltmeisterschaft“ platzte die Nachricht, dass sich Volvo – der letzte große Mountainbike-Sponsor außer Telekom, der nicht aus der Fahrradbranche kommt – nach neun Jahren zurückzieht.

Die fetten Jahre sind vorbei im Mountainbike-Sport. „Der Höhepunkt war 1993 bis 1996“, erinnert sich Christoph Listmann, Redakteur der Fachzeitschrift Bike und selbst ehemaliger Rennfahrer. „Da hatten alle Geld“. Mitte der Achtzigerjahre waren die ersten Mountainbikes aus den USA nach Europa exportiert worden und hatten hier einen Boom sondersgleichen ausgelöst. Die Möglichkeit, mit dem Rad durch die freie Natur zu biken, verbunden mit dem anarchischen Flair der kalifornischen Sport-Subkultur, traf den Nerv der Freizeitgesellschaft: „Zusammen mit dem Windsurfen war das Biken in Deutschland die Trendsportart Nummer eins“, sagt Josh Welz, ehemaliger Redakteur der Zeitschrift Surf und jetziger Chefredakteur von Bike. Die Industrie verkaufte jährlich Mountainbikes in Millionenstückzahl. Gleich zwei Fachzeitschriften – Bike und Mountainbike – etablierten sich aus dem Stand mit einer Auflage von je zwischen rund 80.000 und 100.000 Stück.

In diesen goldenen Jahren war auch die boomende Industrie nur allzu gerne bereit, mit vollen Händen in den Rennsport zu investieren. Profiteams und Rennserien schossen aus dem Boden. Doch Mitte der Neunzigerjahre stellte sich der große Kater ein, der bis heute andauert. „Die Leute, die von Trend zu Trend springen, sind wieder weg“, erklärt Thomas Seidelmann, Redakteur bei Mountainbike, den plötzlichen Knick. Josh Welz vom Konkurrenzblatt: „Von 1995 bis 1998 ist unsere Auflage von 129.000 auf 90.000 gesunken. Es kamen einfach zum Surfen und Biken viele andere Trendsportarten hinzu: Inlineskating, Kiteboarding, Wakeboarding, Beachvolleyball – da sind viele Leute vom Biken abgewandert.“

Einen weiteren Grund dafür, dass die Sponsorengelder nicht mehr wie vorher fließen, sieht Christoph Listmann paradoxerweise in der Professionalisierung des Sports. „Am Anfang war das ein Funsport. Da ist jeder, der ein Bike hatte, an den Start gegangen. Jetzt gibt es einen Weltcup, wir sind olympisch, und in der Spitze ist es zur Formel 1 geworden.“ Die besten Mountainbiker, wie etwa Olympiasieger Miguel Martinez oder Weltcupsieger Cadel Evans, sind so fit, dass sie problemlos bei der Tour de France oder beim Giro d’Italia mitfahren können. Und ohne ein Bike für mindestens 5.000 Euro braucht man gar nicht mehr an den Start zu gehen.

Das Interesse der Freizeitbiker, das vorwiegend an die Möglichkeit zum Mitmachen geknüpft war, ist durch die Professionalisierung verloren gegangen. Das Medieninteresse am Spitzensport Mountainbiken ist hingegen trotz Olympia bislang ausgeblieben. Wirtschaftlich wirklich erfolgreich sind im Mountainbike-Sport mittlerweile nur noch die Bike-Marathons, die, den Marathon-Veranstaltungen im Laufen ähnlich, große Breitensportveranstaltungen sind. Und nicht wenige Profis verdienen sich dort als Zugpferde dringend nötiges Geld dazu.

Trotzdem glaubt man bei T-mobile nicht, aufs falsche Pferd zu setzen. „Natürlich gibt es einen Rückgang. In absoluten Zahlen ist der Mountainbike-Markt aber immer noch riesig“, sagt Philipp Schindera, Pressesprecher bei T-mobile, und unterfüttert dies mit Zahlen: Rund eine halbe Million sportlicher Mountainbikes würden noch immer im Jahr in Deutschland verkauft.

Zusätzlich zur „ganzen Familie“, die durch das Sponsoring des Straßenradteams erreicht werden soll, möchte sich Telekom mit dem Mountainbike-Sponsoring ein junges Publikum erschließen. Schindera verweist auf eine Studie, in der speziell auch das Sportinteresse der 14- bis 19-Jährigen untersucht wurde. In dieser Altersgruppe sind vor allem die Trendsportarten Basketball, Snowboarden und Mountainbiken angesagt. Genau diese drei Sportarten fördert T-mobile und hofft so, die Zielgruppe für ihre Produkte effektiv zu erreichen: Die Kids gehören bekanntlich zu den eifrigsten Handy-Nutzern und Versendern von SMS-Botschaften.

Das Engagement von T-mobile im Fußball soll die Wirksamkeit dieses Engagements verstärken. Denn die jungen Mountainbike-Fans, das ergab dieselbe Studie, interessieren sich unter den traditionellen Sportarten vor allem für Fußball. Viel mehr jedenfalls als etwa für den Straßenradsport. Und so passt der FC Bayern allemal besser zum T-mobile Bike-Team als das Team Telekom. Zumindest in der Werbelogik des Telekom-Konzerns.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen