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Die letzte Nacht im Paradies

Das Schicksal der Diskothek Big Eden ist besiegelt. Playboy Rolf Eden hat seinen Club verkauft. Zum Abschluss am Samstag gab es kein rauschendes Fest. Nur Sekt umsonst und jede Menge Fotos

von SEBASTIAN HEINZEL

Rolf Eden gähnt. Der Mann im beigen Anzug und weißer Krawatte steht im Kameralicht, umgeben von Fotografen, Radioreportern und Frauen, deren Großvater er sein könnte. Und gähnt. „35 Jahre reichen“, sagt er und bietet einen Sekt an. Das hatte er schon am Telefon versprochen: „Am Samstagabend trinken wir einen.“ Feiern mit Rolf Eden, das klingt nach Orgie und Exzess. Heute verblasst die Ankündigung im Mediengewitter des Abends. Aber ein rauschendes Abschiedsfest sollte es auch nicht werden. Es ist Single-Party wie jeden Samstag. An der „Love Corner“ sitzen Edens Gäste: „Ein paar Freunde, die schon in meinem ersten Club dabei waren.“

1957 eröffnete er das Old Eden, zwischenzeitlich gehörten ihm vier Clubs und ein Theater. Der König des Ku’damms. „Der Boss Rolf Eden & Gäste“ steht über dem Eingang des Big Eden. Sein Name ist das Programm und der Inbegriff von Diskokultur und Partyspaß.

„Komm, Foto machen!“ Eden schnappt sich eine Blondine nach der anderen. Die Mädchen folgen ihrer Pflicht. Jenny schaut zwar zuerst genervt, doch Edens Charme bezwingt die 17-Jährige im kurzen lila Kleidchen. Später bedauert sie den Besitzerwechsel. Die Charlottenburgerin ist Stammgast, „weil man hier nette Jungs kennen lernt“. Sie hat gehört, dass die Leute vom Sage Club den Laden übernehmen und macht sich Sorgen. Denn: „Da kommt man erst ab 21 rein.“

Über die Zukunft seines Clubs macht sich Rolf Eden keine Sorgen. Den Neubesitzern unterstellt er fachliche Kompetenz. „Ich bin aber schon ein bisschen traurig“, sagt er dann in seinem Büro. Er wirkt deplatziert in diesem schmucklosen Raum. Doch selbst im Neonlicht scheint es, als könne ihm die Zeit nichts anhaben. Das Gesicht ist geliftet, die Haare blond gefärbt, seine olivgrünen Augen strahlen: „Jetzt wird’s noch wilder!“ Sein Ruf als Bonvivant verdonnert ihn zum Zwangsoptimisten. „Es war eine Superzeit. 35 Jahre das süße Leben. Besser geht’s nicht, und die nächsten 35 Jahre werden es auch noch.“ Eden schaut ungeduldig auf die Monitore, die das Treiben in seinem Club aufzeichnen. Der Boss sieht alles, „besonders, ob gebongt wird“. Vier Euro kostet ein Bier. Trotzdem: Das Eden ist gut besucht.

Frank Quade sitzt hier seit 35 Jahren an der Theke und musste noch nie etwas für sein Bier bezahlen. Der 73-Jährige ist Edens Haus- und Hoffotograf und hat nach eigenen Angaben „eine viertel Million Fotos“ von ihm geschossen. „Jetzt geht ein Lebensabschnitt zu Ende“, sagt er und seufzt. Dann schwärmt er von alten Zeiten. Besonders gut erinnert er sich an das Fotografierverbot, „als McCartney da war“. Da habe er eine Kamera mit Blitz unter die Theke gelegt. „Die hab’ ich dann um vier rausgeholt und die Fotos geschossen.“

Edens Zahlungsmoral sei vorbildlich: „Cashmäßig war der immer korrekt, nur mit den Weibern musste aufpassen.“ 1965 habe Eden ihm mal eine ausgespannt. Weil er Eden dann „eins auf die Fresse gehauen“ habe, hatte er Hausverbot für eine Stunde. Aber eigentlich sei Eden auch mit den Frauen großzügig gewesen. Mit „mindestens 60 Weibern“ sei er in all den Jahren durch Edens Vermittlung im Bett gewesen. Doch die Zeiten haben sich geändert. „So viel dicke Ärsche wie heute hab’ ich in den 70er-Jahren hier nicht gesehen“, bemängelt Quade.

Die Monitore über der Bar zeigen die Miss-Wahlen vergangener Jahrzehnte, Videoclips auf Viva und die Bilder vom aktuellen Partygeschehen. Auch der DJ mixt ohne Gnade: Eminem, Rednex und danach „Thriller“ von Michael Jackson. Typen mit Pullovern in der Hose tanzen betrunkene Touristinnen an.

Tina und Dagmar beäugen die Tanzfläche kritisch. Mit ihren 20 Jahren liegen sie augenscheinlich an der oberen Altersgrenze. Die beiden Studentinnen aus Tauber-Bischofsheim sind im Internet auf das Big Eden gestoßen. Dort sei es als „größte Touri-Disko“ angekündigt gewesen.

Es herrscht Aufruhr, als der DJ verkündet: „An alle Blondinen. Wir machen ein Abschiedsfoto mit Rolf Eden. Wir brauchen mindestens 10 bis 15.“ Vor der Tür scharen sie sich um ihn. „Stimmung“, ruft Rolf Eden etwas müde und strahlt. Aus den Lautsprechern dröhnt: „Oh Heaven, there’s a place on earth.“

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