: Schachtel wird Museum
Die Berlinische Galerie soll ab 2004 wieder einen festen Standort für die Sammlungen haben. Senat gibt für den Umbau des früheren Glaslagers nahe dem Jüdischen Museum rund 16 Millionen Euro frei
von STEFAN ALBERTI und ROLF LAUTENSCHLÄGER
Es sieht nicht nach Kunst aus, und ein Museum kann man sich auf den ersten Blick dort auch nicht vorstellen. „Provisionsfreie Vermietung“ steht an der leeren Lagerhalle in der Alten Jakobstraße, 300 Meter entfernt vom Jüdischen Museum, und Grünzeug wuchert aus dem Backsteinkamin. Für die rot-rote Regierung sowie den Direktor der Berlinischen Galerie, Jörn Merkert, war das nicht abschreckend genug. Im Gegenteil. Das seit fünf Jahren heimatlose Landesmuseum für moderne Kunst, Fotografie und Architektur soll in der schlichten Halle wieder seinen festen Ausstellungsstandort erhalten. Der Senat entschied gestern auf Vorlage von Kultursenator Thomas Flierl (PDS), das ehemalige Kreuzberger Glaslager für die Berlinische Galerie umzubauen. 16 Millionen Euro investiert das Land für den Umbau.
Flierl bezeichnete den Beschluss als „herausragende kulturpolitische Weichenstellung“, die einen Neubau für die Galerie ermöglicht. „Die Berlinische Galerie kann ab 2004 am Standort Alte Jakobstraße wiedereröffnet werden.“ Nach dem gescheiterten Umzug in die einstigen Eiskeller auf dem Viktoria-Areal im Kreuzberg infolge der Pleite des Investors 2001 haben man befürchten müssen, „dass die Berlinische Galerie völlig aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt wird“, erinnerte Flierl.
Nach Angaben des Kultursenators werde die Verwaltung jetzt Verhandlungen mit dem Eigentümer der Liegenschaft, der Dibag Industriebau AG, aufnehmen. Den Umbau finanziere das Land mit einer Deutsche-Bank-Bürgschaft des früheren Viktoria-Areal-Investors. Es sei gelungen, diese Mittel in Höhe von 16,41 Millionen Euro (32,1 Millionen Mark) nach der Insolvenz des Unternehmens durchzusetzen, sagte Flierl.
In dem zukünftigen Zuhause des Museums lagerten laut Flierl vor der Wiedervereinigung die strategischen Glasreserven Westberlins. Nach dem Einzug des Museums sollen in der Lagerhalle, einer knapp elf Meter hohen rechteckigen Schachtel mit rund 12.000 Quadratmeter Fläche, 300.00 Fotos, 15.000 Grafiken, 10.000 Gemälde und über 2.000 Skulpturen auf zwei Ebenen untergebracht werden. Ein vorgelagertes vierstöckiges Verwaltungsgebäude soll die Museumsverwaltung aufnehmen. Merkert hatte die Lagerhalle bereits Anfang Mai als seinen „Museumstraum“ bezeichnet.
Auch Flierl verteidigte gestern die Entscheidung für den Standort. Statt mit großem Kostenaufwand ein attraktives historisches Gebäude umzubauen, habe man sich für das „Modell der neutralen Schachtel“ entschieden. Flierl zog dabei den Vergleich mit der Bundeskunsthalle in Bonn. „Es braucht keinen Stararchitekten und keine Stararchitektur“, sagte Flierl gestern. „Quadratisch, praktisch, gut“, lautete sein Urteil über den zukünftigen Bau, der aus 16 Alternativstandorten ausgesucht worden war. Die Stadtentwicklungsverwaltung von Senator Peter Strieder (SPD) hing laut Flierl auch gestern noch „mit größerer Emphase“ am Viktoria-Areal.
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