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Hanseatische Radikalkur: Schwänzen wird teuer

Bremen plant radikale Wende in der Bildungspolitik: Eltern von „Schulvermeidern“ sollen Kindergeld einbüßen, die Orientierungsstufe soll fallen

BREMEN taz ■ Bremen wird als erstes Bundesland drastische Konsequenzen aus der Pisa-Studie beschließen. Die große Koalition aus SPD und CDU will unter anderem die „Orientierungsstufe“ abschaffen, in der Schüler der Klassen 5 und 6 bislang gemeinsam lernen, ehe sie in weiterführende Schulen gehen. Bremen war Letzter im innerdeutschen Pisa-Vergleich.

Zu den Bremer Methoden der Schulverbesserung zählt auch, „die Verantwortungsbereitschaft der Eltern“ zu stärken. Dahinter verbirgt sich die spektakuläre Idee von Bildungssenator Willy Lemke (SPD), „Eltern notfalls das Kindergeld zu kürzen, wenn ihre Kinder anhaltend die Schule schwänzen“. Lemke wird zunächst prüfen lassen, ob dies rechtlich möglich ist. Dann will die Hansestadt eine Bundesratsinitiative starten.

Für die GEW gehört das zur „konservativen Wende“ der Bildungspolitik – weil das alte Ziel der Förderung und des Chancenausgleichs aufgegeben würde. Für den Bildungssenator hingegen ist es schlicht „notwendig“, mit den Eckpfeilern der sozialdemokratischen Schulreform aus den 70er-Jahren gründlich aufzuräumen. Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD), selbst einmal Bildungssenator, macht für das schlechte Pisa-Ergebnis ausdrücklich auch die SPD-Schulpolitik der letzten 30 Jahre verantwortlich.

Bremen habe viel Geld ausgegeben für die Förderung bildungsschwacher Schüler, aber damit wenig bewirkt, argumentiert Lemke. Nirgends ist die Sitzenbleiberquote so groß wie in Bremen; nirgends haben so viele Schüler der 9. Klasse so weitgehende Defizite beim Schreiben, Lesen und Rechnen. Zentrales Abitur, zentrale Prüfungen nach der 10. Klasse und Qualitätstests in den Klassen 3, 6 und 9 sollen künftig die „Leistungsziele“ definieren. Die CDU ist erfreut über die Wende der SPD.

Offen ist die Frage, wie die beiden Schuljahre der bisherigen „Orientierungsstufe“ künftig zu gestaltet sind. Bei Sozialdemokraten und auch bei den Grünen ist das Modell der sechsjährigen Grundschule populär. Gleichzeitig proben mehrere weiterführende Schulen, den 5. und 6. Jahrgang in eine Schulzeitverkürzung einzubeziehen. „In 12 Jahren zum Abi“ geht aber nur, wenn man bereits in der 5. Klasse die Turboabiturienten gezielt fördert. Schluss wäre dann auch mit dem absoluten Elternwillen – der entscheidet bislang darüber, ob ein Kind aufs Gymnasium geht. Wenn hier künftig die Grundschule widerspricht, soll ein Test Klarheit über den Bildungsweg schaffen.

Den Gymnasien die 5. und 6. Klassen wieder wegzunehmen, dürfte kaum auf die Zustimmung der CDU stoßen. Als Kompromiss könnte es also eine Lösung geben, in der grundsätzlich die 6-jährige Grundschule eingeführt wird, ein Drittel der Kinder aber schon mit der 5. Klasse aufs Gymnasium abgeht. Im Sommer 2003 soll es dazu eine Entscheidung geben. Aber am 25. Mai wird in Bremen gewählt. Bürgermeister Henning Scherf würde gern die Koalition mit der CDU fortsetzen und fürchtet geradezu einen allzu großen Erfolg seiner SPD – denn dann würde ihm die absolute Mehrheit der eigenen Partei drohen. KLAUS WOLSCHNER

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