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Hauptsache Arbeit

Die Zukunft der Arbeit ist ein viel diskutiertes Thema. Trotz millionenschwerer Forschungsprogramme weiß keiner so recht, wohin die Reise geht. Die Wissenschaft forscht zuweilen an der Realität vorbei

von CHRISTINE BERGER

Selten hat das Thema Arbeit so viel Arbeit gemacht wie in den letzten Jahren. Kaum eine Universität, die nicht Akademiker auf das Forschungsfeld Jobentwicklung ansetzt. Unzählige Bücher über Bewerbungsgespräche und Jobtraining verhelfen Autoren zu Lohn und Brot.

Die Meinungen darüber, wie Arbeit in Zukunft verteilt wird und wer wie viel arbeiten darf, gehen weit auseinander. Das zeigen nicht zuletzt die Querelen um die Vorschläge der von der Regierung einberufenen Hartz- Kommission. Mittels so genannter Jobcenter, Ich-AGs und Serviceagenturen, die mit Leiharbeitsfirmen zusammenarbeiten, soll sich die Zahl der Arbeitslosenzahlen bis Ende 2005 halbieren. Ob die Rechnung aufgeht?

„Wir gehen davon aus, dass Erwerbsarbeit nicht ausstirbt“, so Holger Hinte, wissenschaftlicher Mitarbeiter des privaten Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn. Es gehe vor allem darum, neue Märkte zu schaffen. „Indem wir zum Beispiel den Zivildienst abschaffen und Wohlfahrtsdienstleistungen marktfähig machen.“ 100.000 neue Arbeitsplätze könnten auf diese Weise entstehen, so Hinte.

Gar 3,6 Millionen neuer Niedriglohnjobs in deutschen Privathaushalten, prophezeit eine IZA-Studie, würden haushaltsnahe Dienstleistungen mehr gefördert. Soziologen wie Ulrich Beck bezeichnen dieses Hoffen auf ein Dienstleistungswunder als grob fahrlässig. Vielmehr müsse man Arbeit umverteilen und sich die Frage stellen, „was jenseits der Erwerbsarbeit beginnt“.

Immerhin müssen sich Millionen Arbeitsuchende jeden Tag diese Frage stellen. Nicht nur, dass sie Geld und Ansehen in der Gesellschaft vermissen, sie müssen sich auch noch einen Sinn stiften. Ehrenamt und Bürgerarbeit sind Zauberworte, die Beck und Hinte gleichermaßen über die Lippen kommen. „Es ist illusorisch, weiter daran zu glauben, dass es Arbeit für alle gibt“, gesteht Hinte ein.

Dass es auch etwas anderes gibt, als die vergebliche Warten auf einen Arbeitsplatz, versucht der Dresdener Psychologe Carsten Ungewitter im Rahmen politischer Jugendbildung zu vermitteln. In Projektwochen an Schulen und Jugendzentren entwickelt er zusammen mit den Kids Lebenskonzepte, die sich nicht nur auf Erwerbsarbeit konzentrieren. „Die Jugendlichen dürfen sich nicht selbstverantwortlich für die fehlende Arbeit fühlen“, so Ungewitter. In strukturschwachen Gebieten sei das erfolglose Suchen einer Lehrstelle ein Makel, den viele Heranwachsende auf sich bezögen.

Für den Gründer der nicht nur für Arbeitsuchende informativen Webseiten www.arbeitswaisen.de liegt die Lösung unter anderem in der Stärkung der Selbstorganisation. „Wenn die ihren Jugendclub anstreichen oder etwas auf die Beine stellen, was dem Ort zugute kommt, ist schon viel erreicht“, hat er die Erfahrung gemacht. Doch er gesteht auch ein, dass die Projekte letztendlich nicht der Weisheit letzter Schluss seien.

Der sinnvollen Gestaltung und Verteilung von Arbeit ist auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung auf der Spur. Seit Anfang 2000 unterstützt ein 83 Millionen Euro schweres Programm namens „Innovative Arbeitsgestaltung – Zukunft der Arbeit“ Forschungs- und Wirtschaftsorganisationen bei der Entwicklung neuer Arbeitsmodelle. Auch der demografische Wandel ist dabei ein wichtiges Thema: Weil die Geburtenrate sinkt und das Lebensalter steigt, müssen die Arbeitnehmer nicht mehr wie früher im Durchschnitt 36 Jahre arbeiten, sondern bis zu 50 Jahre.

Einer von rund 90 Förderpartnern des Ministeriums ist der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA) mit rund 1,3 Millionen Euro. Die steckt der Verband in Workshops und Konzeptionsarbeit, um das generationsübergreifende Arbeiten voranzubringen. „Betriebe denken nicht vorausschauend“, hat Bildungsreferentin Carola Feller die Erfahrung gemacht. Sensibilisieren und gemeinsam Projekte entwickeln ist deshalb ihr Job.

Wie das konkret aussieht, wird besonders in ostdeutschen Firmen deutlich. „Dort ist es schon oft so, dass Firmen Probleme haben, Nachwuchs einzustellen, und gleichzeitig viele über 60-Jährige arbeiten.“ Mit dem so genannten differenzierten Ausstieg versuche man nun, ältere Menschen dazu zu bewegen, auszusteigen, gleichzeitig aber ihr Erfahrungswissen bei Bedarf zur Verfügung zu stellen. Das bedeutet, dass auch 70-Jährige noch regelmäßig in ihre alte Firma stiefeln, um dort – natürlich bezahlt – weiterzuarbeiten.

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