: SPD: Bonuswähler mit Öger-Tours
Wegen Zuwanderungspolitik: Reiseunternehmer Vural Öger ärgert sich so sehr über Edmund Stoiber, dass er in die Hamburger SPD eintritt. Die freut sich über dieses Signal an Wahlberechtigte ausländischer Herkunft sechs Tage vor der Bundestagswahl
von SVEN-MICHAEL VEIT
So eine Chance lässt Olaf Scholz sich nicht entgehen. Öffentlichkeitswirksam und augenscheinlich hochzufrieden präsentierte Hamburgs SPD-Chef gestern auf einer Pressekonferenz ein neues Parteimitglied: Vural Öger, Gründer und Inhaber von Öger-Tours, dem fünftgrößten deutschen Reiseunternehmen, nahm aus den Händen von Scholz sein rotes Parteibuch entgegen. Und begründete dies mit Worten, die Scholz‘ Augen vor Freude blitzen ließen.
Edmund Stoiber, der Möchtegernkanzler der Union, „argumentiert mit Unwahrheiten, um Wahlen zu gewinnen“, kritisierte der 60-jährige Öger, der seit 1960 in Deutschland lebt (siehe Text unten). Stoibers Äußerungen zum Thema Zuwanderung am vorigen Freitag im Bundestag hätten ihn so „entsetzt“, dass er den „spontanen Entschluss“ gefasst habe, in die SPD einzutreten. „Ich will“, sagte Öger, „Farbe bekennen gegen diesen Populismus.“
Öger war Mitglied der Zuwanderungskommission des Bundes, die unter Leitung der ehemaligen Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth (CDU) an der Ausarbeitung des Zuwanderungsgesetzes mitwirkte, und deshalb, stellt der Selfmade-Man klar, „weiß ich, wovon ich rede“. Die Union wolle offenbar „Ausländer nicht integrieren, sondern ausgrenzen“ und gehe „unredlich“ mit Asylbewerbern um, die Sozialhilfe beziehen.
Für ihn sei zwar das von SPD, Grünen und FDP im Bundestag gegen den Widerstand der Union verabschiedete Zuwanderungsgesetz nicht optimal, „aber besser als gar keines“, meint Öger. Es ermögliche, glaubt er, „eine bessere Integration“ und vermeide die Bildung von „Parallelgesellschaften“. Und damit „Menschen ausländischer Herkunft wie ich in diesem Land als ehrbare Bürger in einer offenen Gesellschaft leben können“, gebe er seine „Überparteilichkeit“ eben auf. Er sehe das, versicherte Öger treuherzig, „nicht als Signal sechs Tage vor der Wahl“. Allerdings finde er es „nicht schlimm, wenn Deutsche ausländischer Herkunft sich angesprochen fühlen“.
Dass ihm das prominente Neu-Mitglied und dessen Worte gerade jetzt „im Endspurt“ ungeheuer gelegen kommen, vermochte Parteichef Scholz kaum zu verhehlen. Und beließ es dennoch bei der Feststellung, dass dieser „kluge Mensch und bedeutende Unternehmer eine Bereicherung für die SPD“ sei. Und zudem die Hoffnung nährt, dass dieses unverhoffte Wahlkampfgeschenk noch einige BonuswählerInnen bringen dürfte.
weitere Berichte SEITEN 1 und 3
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen