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Hoffnung für viele

Urteil: Finanzinstitute haben bei dubiosen Immobiliengeschäften keinen Anspruch auf Rückzahlung ihres Darlehens. Verbraucherschützer hoffen jetzt auf Breitenwirkung

In den 90er-Jahren verkauften Immobilienmakler hunderttausende Wohnungen als so genannte Erwerbermodelle an ahnungslose Finanzlaien. Den Käufern wurden üppige Renditen versprochen. Zusammen mit einer Eigentumswohnung wurden meistens auch Darlehen von namhaften Banken und Versicherungen angeboten. Später platzten die Luftblasen: Die Steuervorteile blieben aus, die Mieteinnahmen waren zu gering und die minderwertigen Wohnungen fast unverkäuflich. Zurück blieb ein Schuldenberg.

Das Oberlandesgericht Oldenburg gibt Immobilienopfern neue Hoffnung. In einem Urteil verweigern die Richter den Banken und Versicherungen die Rückzahlung ihrer Darlehen, wenn damit dubiose Immobilienmodelle finanziert wurden. Damit wird erstmals ein entsprechendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der deutschen Rechtspraxis angewandt.

Das Gericht verurteilte einen Versicherungskonzern, der über seine Bauspartochter den Erwerb einer Wohnung finanziert hatte, auf einen weitgehenden Verzicht seiner Forderungen gegenüber den düpierten Immobilienkäufern. Nach dem Kauf für rund 103.000 Euro hatte sich die Wohnung als weit weniger wert herausgestellt, und auch das mit dem Immobilienkauf versprochene „Steuersparmodell“ platzte. Die Versicherung bestand auf der Rückzahlung des Kredits und erwirkte eine Zwangsvollstreckung gegen die Käufer, ein Ehepaar, dessen wirtschaftliche Existenz nun auf dem Spiel stand. Die Zwangsvollstreckung sei zu Unrecht erfolgt, urteilte jedoch das OLG. Die Versicherung habe keinen Anspruch auf eine Darlehensrückzahlung, sie könne „allenfalls die Übertragung der finanzierten Eigentumswohnung verlangen“, meinen die Richter (Az.: 2-U-65/02).

Das Oberlandesgericht bezieht sich in seinem Urteil ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe, der im April eine Vorlage des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aufgenommen hatte. Danach gelte für Koppelgeschäfte zwischen Darlehen und Immobilie, die quasi zwischen Tür und Angel abgeschlossen wurden, das Haustürwiderrufsrecht: Wer nicht ordnungsgemäß über sein einwöchiges Widerrufsrecht belehrt worden war, kann daher seinen Vertrag unbefristet widerrufen, urteilte der BGH gegen die bayerische Hypo-Vereinsbank (Az.: XI ZR 91/99). Die Karlsruher Richter setzten damit einem Spruch des Luxemburger EuGH vom Dezember (Az.: C-481/99) in deutsches Recht um. Eine Revision wurde vom OLG ausgeschlossen. Finanzjurist Eberhard Ahr, der die Wohnungskäufer als Anwalt vertrat, spricht von einem „sensationellen Urteil“, das Immobilienopfern neuen Mut mache. Verbraucherschützer hoffen auf einen Präzedenzfall mit Breitenwirkung. HERMANNUS PFEIFFER

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