: „Empörend und unverständlich“
Schlimmer hätten die Äußerungen der deutschen Justizministerin, Bushs Methoden ähnelten denen Hitlers, in denUSA nicht ankommen können. Schon überlegen konservative Kreise den Abzug der US-Truppen aus Deutschland
aus Washington MICHAEL STRECK
Die Nachricht jagte über den Atlantik. Kurz nachdem in Deutschland Berichte über Herta Däubler-Gmelins umstrittenen Bush-Hitler-Vergleich bekannt wurden, meldeten die Online-Ausgaben der großen US-amerikanischen Tageszeitungen und Fernsehsender den für US-Amerikaner unerhörten Vorgang. Umgehend trat der Sprecher des Weißen Hauses, Ari Fleischer, vor die Mikrofone und nannte die Äußerungen der deutschen Justizministerin „empörend und unverständlich“.
Selbst die Abendnachrichten lokaler TV-Stationen widmeten sich dem Thema. „Deutsche Ministerin vergleicht Bush in der Irakfrage mit Hitler“, titelte die Washington Post. Das sitzt. Das Bild vom hässlichen Deutschen macht wieder die Runde.
Was auch immer Däubler-Gmelin tatsächlich gesagt und gemeint hat, allein die Tatsache, dass der Name Hitler in irgendeinen Zusammenhang mit einem US-Präsidenten gebracht werden könnte, ist für US-Amerikaner eine unvorstellbare Beleidigung. Doch auch der Rest der Ausführungen, die sie laut Schwäbischem Tagblatt zum besten gab, klingt für US-Amerikaner nach Beleidigung: Die USA hätten ein „lausiges“ Rechtssystem, und wenn es in den 80er-Jahren schon die heute gültigen Gesetze gegeben habe, säße Bush wegen Insidergeschäften als früherer Chef einer Ölfirma im Gefängnis, erklärte die Ministerin im trauten Kreis der Tübinger IG Metall – für die politische Elite Washingtons ein Schlag unter die Gürtellinie, gestattet vielleicht den nationalen Kommentatoren, nicht aber ausländischen Ministern, erst recht nicht deutschen.
So ist der Fall Däubler-Gmelin für US-Politiker und Meinungsmacher nur das jüngste und zugleich erschütterndste Beispiel einer antiamerikanischen Stimmung in Deutschland, von deren unterschwelliger Existenz man hier immer schon gewusst haben wollte und die nun während des deutschen Wahlkampfes einen neuen Höhepunkt erreicht hat.
Das klare „Nein“ von Bundeskanzler Gerhard Schröder zu einer deutschen Beteiligung an einem Militäreinsatz gegen den Irak selbst unter UN-Mandat wird in den USA als „deutscher Unilateralismus“ wahrgenommen, als Bruch mit den Prinzipien der transatlantischen Partnerschaft. Viele Kongressabgeordnete und Regierungsmitglieder werfen Schröder vor, um des Wahlsieges willen bewusst antiamerikanische Gefühle zu instrumentalisieren und zu schüren.
Für einen der einflussreichsten Außenpolitiker im US-Kongress, Senator Jesse Helms, brachten die Bemerkungen von Däubler-Gmelin denn auch das Fass zum Überlaufen. In einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung kritisierte er die Haltung Schröders gegen einen Irakkrieg in scharfer Form und warf ihm vor, die Beziehungen zu den USA so beschädigt zu haben, dass sie nur schwer zu reparieren seien. „Die antiamerikanische Kampagne von Schröder stößt mich ab, und ich bin keineswegs der einzige Amerikaner mit solchen Gefühlen“, schrieb Helms. Im „offensichtlich zynischen Bemühen“, die Bundestagswahl am Sonntag auf Kosten der USA und der Nato zu gewinnen, greife Schröder die USA an. Angesichts dessen solle sich der Kongress ernsthafte Gedanken darüber machen, ob die US-Truppen in Deutschland noch richtig stationiert seien. Vielleicht, so überlegte Helms weiter, sei es sinnvoller, die Truppen auf dem Territorium von Nato-Partnern anzusiedeln, „die die USA unterstützen und im 21. Jahrhundert bedeutend für die Allianz sein wollen“. Das Gleiche hatte am Vortag der konservative Kolumnist der New York Times, William Safire, vorgeschlagen. Egal wer die Wahl gewinne, das deutsch-US-amerikanische Verhältnis werde leiden, schrieb er.
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