DIE NEUE DOKTRIN DER USA BEFÖRDERT PRÄVENTIVKRIEGE: Irak ist nur der Anfang
Stünden Namen wie Pearle, Wolfowitz, Rice oder auch Rumsfeld unter dem Papier, es lohnte kaum noch die Mühe, sich mit dem Inhalt zu befassen. Nach dem, was in den letzten Wochen an kriegerischen Sprüchen aus dem engsten Zirkel um den Präsidenten zu hören war, dürfte sich niemand mehr darüber wundern, dass für die Falken-Riege des Präsidenten Präventivkriege künftig zur Verteidigungsstrategie der USA gehören werden. Aber es handelt sich nicht um irgendeine Vorlage eines Beratergremiums, nicht um die flapsige Äußerung eines Falken, um die Resonanz im US-Kongress zu testen. Der Stellenwert des Papiers könnte höher nicht sein. Die „National Security Strategy of the United States“ trägt die Unterschrift des obersten Befehlshabers der US-Streitkräfte: George W. Bush.
Und es geht um eine Kehrtwende von historischer Dimension: Nicht mehr Verteidigung und Abschreckung sind die offiziellen Ziele der US-Militärmacht, sondern Präventivschläge – ausdrücklich auch dann, wenn keine konkrete Bedrohung vorliegt. Wird der präventive Angriff zum zentralen Element der außenpolitischen Doktrin der USA, bekommt die Debatte um einen Irakkrieg eine weitere Dimension. Denn es mag der US-Regierung bei ihren Kriegsplänen um alles Mögliche gehen, um die Ölförderung im Irak, die Ablenkung von der Wirtschaftskrise in den USA oder auch darum, dass der Bush-Clan seit 1991 noch eine Rechnung mit dem Regime in Bagdad offen hat. Offenkundig wäre ein Krieg auch und vor allem von dem Bestreben motiviert, schnellstmöglich einen Präzedenzfall für einen Präventivkrieg zu schaffen: gegen Staaten, denen die USA die Produktion von Massenvernichtungswaffen oder Verbindungen zu Terroristen unterstellen.
Gefährlich ist das deshalb, weil das Völkerrecht weniger durch Verträge als vielmehr durch Präzendenzfälle geformt wird. Wird der Irakkrieg von den europäischen Verbündeten der USA hingenommen, wird dies deshalb die internationale Politik auf Dauer verändern. Selbst wenn der Irakkrieg kaum noch zu verhindern ist, offener Widerstand dagegen ist nötig. Sonst wird der Angriffskrieg – alias Präventivkrieg – zum akzeptierten Normalfall werden. ERIC CHAUVISTRÉ
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