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Keine Kapitulation vor Bulldozern

Israelische Truppen belagern den Amtssitz von Jassir Arafat und drohen mit der Sprengung des letzten Verwaltungsgebäudes. Palästinenserchef verweigert Auslieferung gesuchter „Terroristen“. Mindestens fünf Palästinenser bei Protesten getötet

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Israel habe keinen Hausarrest über Jassir Arafat verhängt, hieß es gestern im Jerusalemer Verteidigungsministerium. „Von uns aus kann er gern reisen, wohin er will“, meinte Vizeverteidigungsminister Weizmann Schiri. Nur eine Rückreise werde ihm nicht mehr ermöglicht. Seit drei Tagen rücken die Panzer immer dichter um den Amtssitz des Palästinenserpräsidenten in Ramallah zusammen und drohen nun mit der Sprengung des letzten Amtsgebäudes. 15 Verwaltungseinrichtungen wurden bereits von den Bulldozern zerstört. Ziel der Militäroperation mit dem Namen „Eine Frage der Zeit“ ist die Verhaftung von 50 gesuchten Widerstandskämpfern, darunter 20 Männer, die unmittelbar an Terroraktionen beteiligt gewesen sein sollen.

Arafat lehnt die Auslieferung der gesuchten Palästinenser ab. Israels Premier Ariel Scharon lässt sich auf keine Verhandlungen ein. Es werde „keine Wiederholung von Bethlehem geben“, so seine Begründung. Dort hatte sich die Belagerung der Geburtskirche, in die mehrere gesuchter Palästinenser geflüchtet waren, über einen Monat hingezogen. Die Operation in Ramallah soll fortgesetzt werden, bis sich „der Letzte der Gesuchten ergeben hat“, sagte Scharon.

Über Stunden blieben Telefonleitungen und immer wieder auch der Strom unterbrochen. Ein israelischer Bulldozer kappte zudem ein Rohr für die Frischwasserzufuhr, die jedoch wieder hergestellt werden konnte. Die Armee kündigte an, Nahrungsmittel für die rund 250 Menschen im Amtshaus Arafat zu liefern, sollte das nötig sein. „Wir haben es nicht auf Arafat abgesehen“, sagte ein Militärsprecher, „sondern nur auf die Terroristen.“ Israel ist vor allem an der Verhaftung von Taufik Tirawi gelegen, dem Chef des Nachrichtendienstes im Westjordanland, der für die Mitplanung zahlreicher Terrorangriffe verantwortlich gemacht wird. Trotz der über Ramallah verhängten Ausgangssperre gingen mehrere hundert Menschen auf die Straße, um sich mit Slogans, wie „Lang lebe Arafat“ mit dem Palästinenserchef zu solidarisieren. Die Militärs gingen mit Rauchbomben, Tränengas und scharfer Munition gegen die Proteste vor. Auch in anderen Städten fanden Demonstrationen statt. Fünf Palästinenser, darunter ein 13-Jähriger, wurden erschossen, mindestens 50 Menschen verletzt.

„Ich bin bereit zum Frieden, aber nicht zur Kapitulation“, meinte der Palästinenserführer, der am Nachmittag erneut einen Aufruf gegen die Gewalt veröffentlichte. Die Militäroperation entpuppt sich aus politischer Sicht für Israel als kontraproduktiv. Für Scharon ist Arafat irrelevant. Seine Hoffnung ist, dass die Palästinenser sich bei den für kommenden Januar geplanten Wahlen für eine andere Führung entscheiden. In den vergangenen drei Tagen stieg indes die Popularität des Palästinenserchefs so hoch wie lange nicht mehr.

Berichten der liberalen Tageszeitung Ha’aretz zufolge, war für kommenden Freitag eine Sitzung des PLO-Zentralrats geplant, in der über die Konstellation der künftigen palästinensischen Regierung debattiert werden sollte. Die Ratsmitglieder planten demnach, Arafat zu der Ernennung von Machmud Abbas alias Abu Masen zum Premier zu bewegen, was einen dramatischen politischen Wandel für die Palästinenser hätte zur Folge haben können. Eine solche Entscheidung wird angesichts der israelischen Belagerung nicht nur rein technisch unmöglich, sie könnte als Kapitulation vor Israel interpretiert werden und ist deshalb unter den gegebenen Umständen undenkbar.

Im Ausland wurde die Belagerung mit Sorge und Kritik kommentiert. Während die Regierung in Washington Israel „das Recht auf Selbstverteidigung“ zusprach, forderte Bundesaußenminister Joschka Fischer beide Seiten zur Mäßigung auf. Die französische Regierung forderte ein sofortiges Ende der Belagerung. Arafat hatte sich telefonisch um Hilfe bei den Regierungschefs bemüht. Dabei wandte er sich vorwurfsvoll vor allem an die arabischen Nationen, die angesichts der Belagerung nichts unternahmen. Der ägyptische Präsident Husni Mubarak und Jordaniens König Abdallah II. warnten vor den Folgen eines Angriffs auf Arafat.

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