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Regieren mit dem Rücken zur Wand

Nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag steht die PDS im Berliner Senat unter noch größerem Erfolgsdruck. Mehr Profil heißt die Devise, doch der SPD will man nicht wehtun. Dabei stehen Grüne und PDS-Koalitionsgegner schon in den Startlöchern

von UWE RADA

Nur acht Monate ist es her, da hat Gregor Gysi der PDS ein fulminantes Wahlergebnis und Berlin eine rot-rote Koalition beschert. Seit Sonntag nun ist alles anders. Aus dem Helden wurde der Buhmann Gysi, und aus der Koalition mit der SPD nicht nur eine rot-rote Landesregierung, sondern auch eine Bürde für die weitere Existenz der PDS. Nicht mehr mit den beiden Abgeordneten im Bundestag wird man die PDS künftig bundesweit in Verbindung bringen, sondern mit dem Abschneiden ihrer Senatoren im Roten Rathaus.

„Der Druck könnte nicht größer sein“, kommentiert die Innenpolitikerin Marion Seelig den plötzlichen Erfolgsdruck, der auf der Berliner PDS lastet. „Die Reorganisierung der PDS kann nur auf Landesebene stattfinden“, sagt Seelig und zieht eine Parallele zum Ausscheiden der Grünen aus dem Bundestag 1990 und ihrem Wiedereinzug 1994.

Wie schwierig diese Reorganisierung unter dem Vorzeichen einer Regierungsbeteiligung ist, zeigt auf der anderen Seite aber der Einbruch der PDS in Mecklenburg-Vorpommern. Ein Szenario, das auch den Parteistrategen im Berliner Landesverband erhebliches Kopfzerbrechen bereitet.

Als Gründe für die Wahlschlappe haben manche PDS-Genossen deshalb nicht nur die bundespolitische Zuspitzung zwischen Schröder und Stoiber oder die „Gysi-Delle“ ausgemacht. „Bei der Wahlniederlage hat auch die Arbeit in der Landesregierung mit hineingespielt“, sagt Gesine Lötzsch, eine der künftig nur noch zwei Bundestagsabgeordneten der PDS.

Noch deutlicher wird der in Treptow-Köpenick unterlegene PDS-Direktkandidat Ernst Welters. Die PDS habe im Senat zu wenig Profil gezeigt und „einen zu starken Schmusekurs mit der SPD gefahren“.

An der Parteibasis, aber auch in der Abgeordnetenhausfraktion mehren sich deshalb die Stimmen, die ein deutlich stärkeres Profil der PDS gegenüber der SPD fordern. „So wie bisher können wir nicht weitermachen“, sagt der Abgeordnete Freke Over und erinnert an die Entscheidung der PDS, die umstrittene Risikoabschirmung für die Bankgesellschaft mitzutragen. Etwas vorsichtiger ist da Overs Fraktionskollege Udo Wolf: „Profilierung ja, aber nicht auf Kosten der SPD. Das wäre Unsinn, das geht nach hinten los.“

Der Streit darüber, wie eine stärkere Profilierung der PDS aussehen kann, ist auch ein Hinweis dafür, wie sehr die PDS mit dem Rücken zur Wand steht. Da sind auf der einen Seite Grünen-Politiker wie Wolfgang Wieland, die nach ihrem unerwarteten Wahlerfolg plötzlich nicht nur Morgenluft, sondern auch wieder Koalitionsoptionen wittern. Auf der anderen stehen PDS-Politikerinnen wie Sahra Wagenknecht schon Gewehr bei Fuß und fordern ihre Partei auf, sich aus den Koalitionen in Schwerin und Berlin zurückzuziehen.

Fast schon rührend wirkt vor diesem Hintergrund das väterliche Schulterklopfen des Koalitionspartners. Das PDS-Debakel habe keinen Einfluss auf die Landesregierung betonte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD).

Der SPD-Parlamentspräsident Walter Momper sagt: „Wer mitregiert, kann auch nur mit dem Wasser kochen, mit dem alle anderen kochen.“ Kein Zweifel: Die PDS ist nicht nur entzaubert, sie hat dieses Werk mit dem Abgang Gysis sogar selbst vollbracht. So ist es auch kein Wunder, dass die PDS-Abgeordnete Seelig die Frage nach dem Parteiprofil eher als langfristige Aufgabe sieht. „Die Koalition wäre für uns dann ein Erfolg, wenn wir am Ende sagen können, dass wir den Sparkurs nicht nur mitgetragen, sondern auch sozial gestaltet haben.“

Vorerst aber seien andere Dinge nötig. Seelig: „Wir müssen das weitere Vorgehen mehr noch als bisher transparent gestalten und mit der Basis absprechen. Da ist in den letzten acht Monaten einiges versäumt worden.“

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