: Fell der Nacht
Sinnieren über äußere und innere Befindlichkeiten: Kerstin Grether, Mirko Bonné und Volker Geißler bei „Intermediate II“ im Rialto
von BARBARA SCHULZ
Es ist Herbst. Es ist kalt. Da lugt der Winter um die Ecke, und unsereins muss in der Wohnung einheizen und des Nachts in Kneipen enger zusammenrücken. Immerhin, sie ist wieder da, die Lust auf Lesen und Vorlesen. Da passt es doch wunderbar, dass am Sonntag die „Intermediate II“ stattfindet, Teil zwei der monatlichen Literatur-Veranstaltungsreihe im Rialto. Zu Gast sind die AutorInnen Kerstin Grether, Mirko Bonné und Volker Geißler.
„Es ist, als begänne das Barleben schon vor der Bar. Es ist, als begänne das Leben überhaupt an einer lärmenden Straße. Es ist, als wären die Sterne oben nur gleichmäßig-goldene Knöpfe auf der Himmelsjacke, Glitzersteinchen im Fell der Nacht. Ich schaue Kicky und Ricky beim Reden zu. Ich habe Zeit“, denkt Sonja, die 20-jährige Protagonistin in Kerstin Grethers Debutroman Zuckerbabies (da denkt man doch gleich an die englische Pop-Combo Sugababes – Zufall oder Absicht oder weder noch?), die unbedingt Sängerin werden will.
Die Wahlberlinerin Grether, Musikjournalistin, Essayistin und selbst Musikerin, lässt Sonja und ihre sehr unterschiedlichen Freundinnen vom langsamen Erwachsenwerden erzählen, von Mädchenfreundschaften, von Musik, von der Sucht nach Glamour und der Suche nach Liebe.
Aber Grether beschreibt auch die hässliche Seite all dessen: die Abhängigkeit von Schönheitsidealen und dem folgenden Missbrauch des eigenen Körpers in Form von Sportwahn und Magersucht – von totalen Euphoriezuständen bis zum schwarzen Loch, bestehend aus Weltschmerz und Melancholie. Ihr Erzählerinnenton springt dabei gekonnt zwischen Übermut und Ernst hin und her: „Ich ekele mich vor allem vor dem braunen Wollkleid, das sich um meine Taille schlängelt. Es macht heiß und fett – und es stinkt. Am liebsten würde ich es auf der Stelle ausziehen und in einen Papierkorb am Straßenrand werfen. Das viele Hüft-Fett noch dazu. Ach, könnte man sich das Fett doch einfach vom Leibe reißen!“
Der zweite Gast, Mirko Bonné, in Hamburg lebender Romanautor, Lyriker und Übersetzer von Keats, Beckett und E. E. Cummings, veröffentlichte in diesem Frühjahr seinen zweiten Roman Ein langsamer Sturz. Im Juni gewann er den Ernst-Willner-Preis beim Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb, und am Sonntag liest er zwei Erzählungen aus seinem noch in Arbeit befindlichen Band Auszeit.
Als dritter gesellt sich der Berliner Autor und Theaterliebhaber Volker Geißler dazu, der vier Kurzgeschichten vorlesen wird. Darunter Marcel und Benjamin, die von der schwierigen Beziehung zweier Brüder handelt, deren Eltern gestorben sind und die nun versuchen müssen, miteinander auszukommen.
Die musikalische Rahmung dieser „Intermediate“-Ausgabe besorgen die Instrumentalmusiker von Halma: „Versatzstücke aus TexMex, Kraut- und Postrock ... Gitarren winden sich hypnotisch umeinander, zusammengehalten von geschmeidigen Beats ... die fließende Struktur erinnert an Ambient und Elektronik.“ An den Plattentellern macht sich dann noch der Dezibel-Service zu schaffen.
Sonntag, 19 Uhr, Rialto (Michaelisbrücke 3)
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