TÜV soll Finger von AKW lassen

Nach erneuter Pannenserie im Atomkraftwerk Philippsburg verlangt die SPD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg, den TÜV als Kontrolleur der insgesamt fünf AKWs im Lande abzulösen. Die Grünen teilen die Kritik, aber sie zögern noch

aus Frankfurt/M.KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Im Wettlauf um den Titel des störfallanfälligsten Atomreaktors der Republik liegt Block I in Philippsburg wieder einmal vor Block B der RWE Power AG in Biblis. Gleich drei meldepflichtige Betriebsstörungen in gut einem Monat gab es seit der Jahresrevision Ende August für das von der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) betriebene AKW zwischen Ludwigshafen und Karlsruhe. Zuletzt wurde am vergangenen Montag ein defektes Ventil am so genannten Filterkonzentratbehälter übersehen. Ein Kubikmeter radioaktiv verseuchte Flüssigkeit gelangte so in das Regenwassernetz des AKW – und von dort aus in den Altrhein. Wie immer betete EnBW den Störfall rasch gesund. Der größte Teil der „Aktivitäten“ habe sich schon vor dem Austritt des zur Reaktorkühlung genutzten Regenwassers in den Rohren des Systems abgelagert. In den Altrhein sei deshalb nur „eine geringe Aktivitätsmenge“ gelangt.

Für dem Obmann der SPD im Atom-Untersuchungsausschuss, Rainer Stickelberger, sind die neuesten drei Störfalle in Philippsburg allerdings „symptomatisch“. Wieder seien nämlich gleich nach einer mehrwöchigen Revision, während der nicht nur Brennelemente gewechselt, sondern das AKW insgesamt eigentlich „auf Vordermann“ hätte gebracht werden sollen, Störfälle gleich in Serie produziert worden. Und erneut sei die „schlafmützige“ Atomaufsicht des Landes dafür politisch verantwortlich zu machen.

Die SPD-Fraktion im Landtag verlangt jetzt, den TÜV als Kontrolleur der insgesamt fünf AKWs des Landes umgehend abzulösen. Der bekomme für seine „schlamperte Arbeit“ (Stickelberger) rund 30 Millionen Euro pro Jahr. Für die Sozialdemokraten ist das „rausgeschmissenes Geld“. Das Land müsse jetzt die Kontrollaufgaben bundesweit neu ausschreiben und auch atomkritische Institute berücksichtigen. Von Bundesumweltminister Jürgen Trittin erwarten die Sozialdemokraten im Ländle Unterstützung. Schließlich sei auch der Grüne von CDU-Landesumweltminister Müller düpiert worden. Trittin ist am 27. November vor den Untersuchungsausschuss geladen.

Die Sozialdemokraten im Landtag in Stuttgart sehen sich nachträglich in ihrer einsamen Auffassung bestätigt, den Versuch zu wagen, die dubiosen Vorgänge und Vorfälle in Philippsburg durch einen Untersuchungsausschuss aufzuklären. Als der am 31. Januar dieses Jahres im Landtag im Plenum zur Abstimmung anstand, enthielten sich allerdings nicht nur die Regierungsparteien CDU und FDP der Stimme. Auch die Grünen hoben nicht die Hand dafür. Wie die SPD argumentierten zwar auch sie, dass es „die fehlende Distanz zwischen Betreibern und Kontrolleuren“ sei, die eine solche Störfallserie wie 2001 erst ermöglicht habe. Doch „alleine mit dem Studium der Akten“ in einem Untersuchungsausschuss lasse sich das nicht schlüssig beweisen, so der grüne Landtagsabgeordnete Walter Witzel, der heute Obmann seiner Partei im Ausschuss ist.