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Nach dem Krieg ist vor dem Krieg

von DOMINIC JOHNSON

Der vergangene Samstag war ein großer Tag für Afrika. An diesem Tag, so hieß es offiziell von UN-Seite, habe der letzte ruandische Soldat das Staatsgebiet der Demokratischen Republik Kongo verlassen. Tausende von Zivilisten säumten die Straßen der Grenzstadt Goma, als die letzte Kolonne von 1.150 Mann singend Richtung Ruanda marschierte. Unter den Augen von UN-Beobachtern überquerte sie am frühen Nachmittag den Grenzposten „Grande Barrière“ am Ufer des Kivu-Sees.

Damit ist „Afrikas Erster Weltkrieg“ offiziell zu Ende. Seit 1998 hatten Ruanda und Uganda und in geringerem Maße Burundi Rebellenbewegungen gegen die Regierung in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa unterstützt. Angola und Simbabwe, eine Zeitlang auch Namibia und sogar Sudan und Tschad hatten Präsident Laurent Kabila und dessen Sohn und „Thronfolger“ Joseph Kabila gestützt. Der Krieg, gekoppelt mit einer unüberschaubaren Kette lokaler Stellvertreterkriege im kongolesischen Busch, kostete nach Schätzungen drei Millionen der 50 Millionen Einwohner das Leben und reduzierte den mineralienreichsten Staat Afrikas zum Armenhaus des Kontinents. Ein Drittel der Bevölkerung ist unterernährt, die meisten staatlichen und wirtschaftlichen Strukturen sind zusammengebrochen.

An der UN-überwachten Frontlinie quer durch das Land schweigen die Waffen schon seit März 2001. Die Armeen jedoch blieben in Lauerstellung. Erst seit die Regierungen Kongos und Ruandas am 30. Juli ein Friedensabkommen schlossen, hat sich zwischen den ausländischen Kriegsparteien eine wirkliche Friedensdynamik entwickelt. Am 17. September leitete Ruanda mit einer Luftbrücke aus der Stadt Kindu seinen Rückzug aus dem Osten des Kongo ein. Parallel dazu zog Simbabwe seine Kampftruppen um die Diamantenstadt Mbuji-Mayi ab. Uganda und Angola sind bereits seit längerem im Rückzug begriffen. Der simbabwische Rückzug wurde am vergangenen Freitag mit einer Truppenparade von 6.000 Mann auf dem Flughafen von Lubumbashi offiziell abgeschlossen. Ruanda setzte schließlich am Samstag in Goma den Schlussstrich.

Eine Friedensgarantie bietet der Abzug der ausländischen Soldaten jedoch noch lange nicht. Er macht den Krieg lediglich zum Bürgerkrieg zwischen den kongolesischen Kriegsparteien, die nach wie vor von einer Friedensregelung weit entfernt sind. Das Land bleibt geteilt zwischen der Regierung von Präsident Kabila, die Westen und Süden des Kongo beherrscht, den Rebellen der RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) im Osten, der MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) im Nordwesten und einer Vielzahl kleinerer Gruppen im Nordosten. Dazu kommen eine zivile Opposition in Kinshasa, die Kabila für einen illegitimen Diktator hält, sowie unzählige Milizen in den östlichen Dschungeln.

In diesen Tagen sollen Gespräche in Südafrika zwischen Kongos politischen Führern beginnen, um einen neuen Dialog in Gang zu bringen. Bisher haben solche Verhandlungen noch nie ein tragfähiges Ergebnis gebracht. Kabila und die Rebellenführer müssen erst einmal beweisen, dass sie auch ohne Hilfe fremder Truppen regieren können. Vor allem für die RCD dürfte dies ein Problem sein, denn sie hat starke lokale Gegner. Schon haben RCD-feindliche Milizen im Ostkongo mehrere Städte eingenommen. Ein Kirchenführer aus Kindu spricht von der „Stunde der Rache“.

Der „große Krieg“ zwischen afrikanischen Staaten ist vorbei – es bleibt der „kleine Krieg“ zwischen kongolesischen Warlords, den pessimistische Beobachter im Land bereits mit dem Dauerzerfall Somalias vergleichen. Auch die ruandischen Hutu-Milizen, die eigentlich als Gegenleistung für Ruandas Rückzug demobilisiert werden sollen, sind so stark wie eh und je.

Angesichts dessen glauben viele Menschen im Ostkongo nicht, dass Ruandas Armee wirklich abgezogen ist. „Sie gehen am Tag und kommen nachts wieder“, behauptet eine Menschenrechtlerin aus Bukavu. Ruandische Hutu-Soldaten seien in die RCD-Armee geschickt worden, erklärte am vergangenen Wochenende eine Menschenrechtsorganisation. Andere Quellen sprechen von Desertionen rückzugsunwilliger ruandischer Einheiten, die nun auf eigene Faust im Kongo blieben.

Die UN-Mission dementiert all diese Gerüchte und sagte, sie habe alle Soldaten persönlich beim Grenzübertritt gezählt. Doch weiß jeder: Sollten die ruandischen Hutu-Milizen im Ostkongo Richtung Ruanda vorstoßen, dürfte Ruanda nicht lange überlegen, bevor es erneut im Kongo einmarschiert. Und dann könnten auch die anderen Länder wieder ihre Interessen geltend machen. Angola bleibt ohnehin im westkongolesischen Grenzgebiet stationiert, und in der Hauptstadt Kinshasa verzichtet Präsident Kabila nicht auf seine simbabwischen Berater.

Inzwischen erwägt die UNO, ihre Blauhelm-Mission im Kongo von derzeit maximal 5.500 auf maximal 8.700 Mann aufzustocken. Südafrika hat bereits 1.000 bis 1.500 Kampftruppen angeboten, die bis Jahresende stationiert werden sollen. Aber niemand glaubt, dass sie wirklich das Vakuum füllen können, das Afrikas erfahrenste Krieger hinterlassen.

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