: „Massaker“ im „Terrornest“
Israelischer Angriff im Gaza-Streifen fordert mindestens 13 Tote, darunter viele Zivilisten. General spricht von „unabdingbarer Operation“ gegen Hamas, für palästinensischen Unterhändler zielt dieses „Massaker“ auf die Friedensmission von Solana
aus Jerusalem SUSANNE KNAUL
Als „sehr wichtige Operation“ hat der israelische Kommandant im Gaza-Streifen, Brigadegeneral Israel Siw, die Militäraktion bezeichnet, bei der am Montag morgen im Gaza-Streifen mindestens 13 Palästinenser getötet wurden, darunter mehrere Jugendliche und Frauen. Ziel der „unabdingbaren“ Operation sei gewesen, der Hamas zu beweisen, dass „sie keine Immunität habe“. Hamas hatte den wiederholten Appell der palästinensischen Autonomiebehörde zur Einstellung der Gewalt abgelehnt. Israelischen Berichten zufolge stoppten hingegen die Fatah-nahen Widerstandsgruppen Angriffe auf Zivilisten im israelischen Kernland.
Offizieller Anlass für die Militäraktion war der Beschuss einer israelischen Ortschaft mit Mörsergranaten am Vortag. Dabei kam niemand zu Schaden. Das Amal-Viertel in Khan Younis sei ein „Terrornest“, so begründete General Siw den Armeevorstoß. Zwar könne „nicht garantiert werden, dass in so dicht bevölkerter Nachbarschaft keine Unschuldigen verletzt werden“. Dennoch sei die Operation „relativ genau auf die bewaffneten Männer“ gerichtet gewesen. Es sei auch „nicht logisch“, dass Zivilisten „mitten in einem solchen Kampf“ auf der Straße seien. Die israelischen Soldaten konfiszierten Sprengstoff. Verhaftungen nahmen sie nicht vor. Augenzeugen berichteten, dass mit dem Abzug der Panzer die Menschen aus ihren Verstecken kamen und erst dann eine zweite Rakete einschlug. Laut einem Krankenhausmitarbeiter wurden sieben der 13 Todesopfer von der Rakete getroffen. Sie seien auf dem Weg zum Krankenhaus gewesen, um sich über verletzte Angehörige zu erkundigen.
Der Angriff wirft einen Schatten auf die Mission des EU-Beauftragten für Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana. Er hält sich seit Sonntag in der Region auf und wollte am Abend Palästinenserchef Jassir Arafat treffen. Ziel der Gespräche ist es, die seit über zwei Jahren andauernde Gewalt zu beenden und die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zurückzuführen. Saeb Erikat, ehemals palästinensischer Minister und Chefunterhändler bei den Friedensgesprächen, nannte die Militäraktion ein „Massaker“ mit dem Ziel, Solanas Mission zu untergraben.
In Gaza-Stadt trafen am Nachmittag Fatah- und Hamas-Vertreter zusammen, um eine Eskalation der Gewalt zwischen beiden Bewegungen zu verhindern. Am morgen war auf offener Straße der 47-jährige Polizeioberst Rajeh Abu Lehiya erschossen worden. Die palästinensischen Sicherheitsdienste machen Hamas-Anhänger für den Anschlag verantwortlich und fordern die Auslieferung der Täter. Offiziellen Informationen zufolge trugen die Täter Uniformen der nationalen palästinensischen Sicherheit und des militärischen Nachrichtendienstes. Die Polizei drohte mit Verhaftungen von Hamas-Aktivisten, sollte ihre Forderung nicht erfüllt werden.
In Jerusalem verurteilte derweil ein Bezirksgericht den Palästinenser Mohammad Rimawi zu lebenlanger Freiheitsstrafe, weil er die Mörder des israelischen Tourismusministers Rechawam Seewi unterstützte. Rimawi hatte die Täter zum Tatort gefahren. Der Urteilsspruch wurde von heftigen Protestrufen der Familie Rimawis unterbrochen, die auf seine Unschuld pochten. „Die Mörder sitzen in Jericho“, rief einer der Anwesenden. Die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) hatte die Verantwortung für den Anschlag übernommen. PFLP-Chef Achmad Saadat und fünf weitere Parteiaktivisten sitzen derzeit unter britisch-amerikanischer Bewachung im Gefängnis von Jericho.
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