: Erste Frau im Kulturkanzleramt
Der Kanzler einigte sich mit der früheren Hamburger Kultursenatorin Christina Weiss über ihren neuen Job: Die Bundeskultur aus dem Kanzerlamt zu vertreten, ohne echte Befugnisse zu haben. Weiss trifft dort ihren alten und neuen Kulturstaatssekretär
von DIRK KNIPPHALS
Ein letztes Sondierungsgespräch mit dem Kanzler am gestrigen Vormittag – dann war alles klar im weiteren Berufsweg von Christina Weiss. Die 48-jährige Hamburgerin wird die neue Kulturstaatsministerin, beziehungsweise sie wird „Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Kultur und der Medien“, wie das Amt offiziell und umständlich heißt. Damit wird Christina Weiss Nachfolgerin von Julian Nida-Rümelin. Er hatte seinen Regierungsposten aus freien Stücken aufgegeben, um als Philosophieprofessor zurück an die Universität Göttingen zu gehen. Als weitere aussichtsreiche Kandidaten waren Arnulf Conradi, der Chef des Berlin-Verlages, und Thomas Krüger von der Bundeszentrale für politische Bildung genannt worden. Beide gehen nun leer aus.
Christina Weiss bürgt für etwas, was dem Amt bislang fehlte: für Kontinuität. Der erste Amtsträger überhaupt, Michael Naumann, ging nach nur zwei Jahren in seinen ursprünglichen Beruf als Journalist zurück; er wurde Herausgeber der Wochenzeitung Zeit. Julian Nida-Rümelin hielt es gleichfalls nur eine halbe Legislaturperiode in seinem Büro im Berliner Kanzleramt. Solche Kurzgastspiele sind der bisherigen Karriere von Christina Weiss fremd. Sie begann als freie Literaturkritikerin. Dann trat sie die Stelle der Programmchefin beim Hamburger Literaturhaus an. 1991 folgte schließlich der erste wirkliche Karrieresprung: Sie wurde Kultursenatorin in Hamburg. Und vor allem: Sie blieb es volle zehn Jahre lang.
Das ist eine nicht zu unterschätzende Leistung. Bevor Weiss ihr Hamburger Amt übernahm, galt der Posten als Schleudersitz. Die Kulturszene in der Hansestadt war beinahe schon traditionell zerstritten. Christina Weiss allerdings gelang es, die auseinander strebenden Interessen von Hoch- und Alternativkultur, von Repräsentationsanforderungen und künstlerischer Innovationskraft zwar nicht zu befrieden, aber doch zumindest handhabbar zu halten. Und das bei leeren Kassen. Erst die für den rot-grünen Senat verlorene Wahl im Jahr 2001 bedeutete für Christina Weiss das Aus. Wie viel die Hamburger an ihr hatten, wurde spätestens deutlich, als der neue Bürgermeister Ole van Beust (CDU) nach peinlichem Hickhack ihre Nachfolgerin präsentierte: die ehemalige Bild-Kulturbeauftragte Dana Horakova. Während zu Christina Weiss’ Zeiten die Stimme der Hamburger Kultursenatorin auch überregional Gehör fand, versank das Amt von da an in provinzieller Bedeutungslosigkeit.
In Berlin wird Christina Weiss auf ihren ehemaligen Kulturstaatsrat treffen: Knut Nevermann, der Neuberlinerin gut bekannt aus gemeinsamen Hamburger Tagen, bekleidet seit 1998 und nun also schon unter dem dritten Chef den Posten des Kulturstaatssekretärs. Als zweiter Mann hat er sich den Ruf einer grauen Eminenz in der deutschen Kulturpolitik erworben.
Auf das Duo Weiss/Nevermann warten vielfältige Aufgaben. Sie müssen nicht nur die Buchpreisbindung sichern, die Filmförderung ausbauen und Leuchtturmprojekte wie die Berliner Museumsinsel erhalten. Darüber hinaus müssen sie die Bedürfnisse der Kultur in der Öffentlichkeit wach halten – keine leichte Aufgabe bei geringen wirklichen Befugnissen und Länderkollegen, die eifersüchtig auf die eigene Kulturhoheit achten. Und ganz schön wäre es noch, wenn bei dieser tagtäglichen Kärrnerarbeit der Sinn fürs Wesentliche erhalten bliebe. Christina Weiss wäre es zuzutrauen. Bei ihrem Hamburger Abschied sagte sie, dass „das Miteinander der Menschen“ durch die Kultur definiert wird und nicht durch die Politik. Selbstvertrauen hat sie.
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