: Eine Fata Morgana namens „Algeria“
Weil Algeriens Städte zu eng sind, baut der Käufer der Holzmann-Konkursmasse in der Sahara eine Finanzmetropole
MADRID taz ■ Algeriens Städte sind explosiv. 90 Prozent der Wohnungen sind überbelegt, 40 Prozent nehmen Familien mit über sieben Personen auf. Seit der Unabhängigkeit 1962 hat sich Algeriens Bevölkerung fast vervierfacht, das Bevölkerungswachstum liegt mit 3,4 Prozent weltweit mit an der Spitze. Viele junge Erwachsenen haben keinen Job und keine Unterkunft, um der Enge des Elternhauses zu entfliehen. Dazu kommt, dass kaum etwas investiert wird: 50 Prozent der Wohnungen sind in sehr schlechtem Zustand, 13 Prozent haben keinen Strom, jede vierte Familie ist nicht ans Wassernetz und jede dritte nicht an die Kanalisation angeschlossen.
Bei den morgigen Kommunalwahlen dürften solche Probleme eine große Rolle spielen. Aber statt konkret etwas zu unternehmen, hat Präsident Abdelasis Bouteflika Gigantisches vor: 200 Kilometer südlich der Hauptstadt Algier soll eine nagelneue Finanzmetropole entstehen. So wie Brasilien einst „Brasilia“ bekam, soll Algerien dereinst „Algeria“ haben – wenn auch nur als ökonomisches Zentrum, nicht als Regierungssitz. Mitten in der Wüste, in der Nähe des kleinen Dorfes Boughzoul, sollen 350.000 Menschen Wohnung und Arbeit finden. Banken- und Finanzgeschäfte sollen die heute menschenleere Region entwickeln – bislang setzte Algerien auf die Schwerindustrie.
Der spanische Architekt Ricardo Bofill ist mit der Planung der Stadt beauftragt worden. „Das städtebauliche Modell von Algeria wird sehr große, vertikale Gebäude mit flachen Gebäuden kombinieren“, verrät Bofill seine grundlegende Idee. Der Architekt, dessen vor 39 Jahren gegründete „Werkstatt“ weltweit mit Bürogebäuden und Wohnkomplexen zu Ruhm gelangte, will sich die Metropolen in Südostasien und am Golf zum Vorbild nehmen.
In fünf Jahren sollen die ersten 10.000 Wohnungen 50.000 Menschen aufnehmen, in 20 Jahren soll Algeria fertig sein. 91.700 Wohnungen, Bürogebäude, Hochschulen, Parks, Straßen und ein Flughafen werden sich dann über eine Fläche von 465 Quadratkilometer erstrecken.
Neben öffentlichen Stellen sollen auch private Investoren das nötige Kapital für das Projekt bereitstellen. Die Rede ist von Rafik Khalifa – der reichste Mann Algeriens. Der Enddreißiger hat sich die wirtschaftliche Öffnung Algeriens zunutze gemacht und nennt heute eine Bank und eine Fluggesellschaft sein Eigen – beide hat er nach sich selbst benannt. Entsalzungsanlagen für die Wasserversorgung der großen algerischen Städte sollen folgen. Und für „Algeria“ landete Khalifa einen ganz besondern Coup: Er kaufte einen Teil der Konkursmasse des deutschen Bauriesen Holzmann.
Woher Khalifa das Geld dafür hat, darüber schweigt er sich aus. Das gibt Anlass zu Gerüchten: Die einen glauben, dass der junge Unternehmer Schwarzgeld korrupter hoher Staatsfunktionäre zurück ins Land bringt. Andere sehen ihn als Strohmann für reiche Scheichs vom Golf.
Khalifa ist jedenfalls der Prototyp des erfolgreichen Unternehmers mit guten Beziehungen in den Staatsapparat. Sein Vater war einst Minister für Bergbau und Industrie und führte später die staatliche Fluggesellschaft Air Algerie. Und bei der Wahl seines Anwaltes bewies Khalifa ein goldenes Händchen. Der heißt nämlich Abdelghani Bouteflika und ist der Bruder des Präsidenten. REINER WANDLER
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