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Nach dem Zerstörungswerk

Die Intendanten sind gegangen, jetzt kann die Reform beginnen: Eine Opernstiftung soll die Berliner Kulturmisere lösen – vorausgesetzt, der Bund bezahlt. Der Kultursenator wartet erst mal ab

von RALPH BOLLMANN

An den Berliner Opernhäusern läuft derzeit alles prächtig. Der Intendant der Komischen Oper wurde bereits vor fünf Wochen ganz unfein aus dem Amt gedrängt, der Kollege von der Deutschen Oper folgte einen Monat später, und auch der Dritte im Bunde hat bereits signalisiert, er klebe nicht an seinem Intendanzbüro in der sanierungsreifen Staatsoper.

Albert Kost, Udo Zimmermann und Peter Mussbach sind die Namen der drei Herren, deren Jobs mehr oder weniger unverhofft zur Disposition stehen. Und wenig deutet darauf hin, dass es Nachfolger geben wird. Denn Opernmanager im Dreierpack, so viel steht zwölf Jahre nach der deutschen Einheit endlich fest, wird die einst geteilte Stadt in Zukunft nicht mehr brauchen.

Wenn alles gut läuft, dann genügt den hauptstädtischen Musiktheatern künftig ein einziger Chef. Das jedenfalls ist die Konsequenz aus dem Konzept, das zwei prominente Opernliebhaber gestern vorstellten. Eine gemeinsame Stiftung für alle drei Berliner Häuser, das ist der Vorschlag von Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer und dem früheren Intendanten der Berliner Festspiele, Ulrich Eckardt.

Die beiden bringen wieder ins Gespräch, was unter verständigen Kulturpolitikern schon lange als praktikabelste Lösung der Berliner Opernmisere gilt, aber gegen die künstlerischen Eitelkeiten und die Empfindlichkeiten der beiden Stadthälften nie durchzusetzen war: Die drei Ensembles sollen mitsamt ihren künstlerischen Chefs bestehen bleiben, aber einem gemeinsamen Manager untergeordnet werden.

Das ermöglicht nicht nur Einsparungen bei Verwaltung, Technik oder Aushilfen im Orchester. Auch die Qualität des Angebots soll dadurch steigen. Keine andere Stadt bekam bislang für so viel Geld so wenig gute Oper. Der Chef einer Holding könnte mit seiner Autorität dafür sorgen, dass die drei Ensembles nicht immer nur die gleichen Stücke aufführen und dass sie es am geeigneten Ort tun. Eine Cherubini-Oper mit kleinster Besetzung in der riesigen Deutschen Oper, eine bombastische Wagner-Oper im Rokokogewand der Staatsoper – das gäbe es dann nicht mehr.

Das Vorbild ist Paris, wo ein Großprojekt des früheren Präsidenten François Mitterrand für eine ähnlich prekäre Ausgangslage sorgte wie die unverhoffte Wiedervereinigung in Berlin: Neben dem historischen Palais Garnier im Herzen der Stadt gab es auf einmal die moderne Opéra Bastille am Rande des Zentrums. Statt die beiden Häuser in eine unsinnige Konkurrenz zu treiben wie Staatsoper und Deutsche Oper in Berlin, entschied sich die französische Kulturpolitik von vornherein für eine gemeinsame Leitung. Welches Stück in welchem Gebäude gespielt wird, hängt allein von den Erfordernissen der jeweiligen Inszenierung ab.

Vor allem aber soll das Modell ermöglichen, was im Zentralstaat Frankreich selbstverständlich ist – dass die klamme Hauptstadt den opulenten Opernbetrieb nicht allein bezahlen muss. Erst am Wochenende hatte der scheidende Staatsminister Julian Nida-Rümelin bekräftigt, die völlige Übernahme eines Hauses durch den Bund komme nicht in Frage. Über „vernünftige Modelle“ könne aber diskutiert werden. Vorausgesetzt, die unsinnige Konkurrenz „um ein gleiches Publikum“ finde ein Ende. Beide Bedingungen würden durch das neue Konzept erfüllt. Denkt Nida-Rümelins Nachfolgerin Christina Weiss ähnlich, stünde einer Einigung mit dem Bund also kein prinzipieller Einwand mehr entgegen.

Berlins Kultursenator Thomas Flierl hält sich in der Operndebatte noch bedeckt. Den Fehler seines CDU-Vorgängers Christoph Stölzl, der sich mit einer gescheiterten Opernreform selbst demontierte, will der PDS-Mann offenbar nicht wiederholen. Einerseits will er mit der angeblich rein privaten Initiative von Vollmer und Eckardt nichts zu tun haben, andererseits stellte er deren Konzept gestern ganz offiziell vor – und gab seine Sympathie offen zu erkennen: „Das Stiftungsmodell überzeugt mich sehr.“

Weitaus skeptischer fiel sein Urteil über ein Fusionsmodell aus, das der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker erarbeitet hat. Danach sollen sich Staatsoper und Komische Oper zu einem „Kulturforum Mitte“ zusammentun, ergänzt durch das Konzerthaus am Gendarmenmarkt und die benachbarte Musikhochschule „Hanns Eisler“. Weizsäcker hatte sich ursprünglich der Operninitiative von Eckhardt und Vollmer angeschlossen, doch er präsentierte gestern seinen eigenen Vorschlag als eine Art Minderheitsvotum. Eine Fusion à la Weizsäcker könnte leicht zu einer Schließung der Komischen Oper führen. Weil die Deutsche Oper außen vor bleibt, würde sich Flierl obendrein eine neue Ost-West-Debatte einhandeln. Und der Bund wird wenig Neigung verspüren, sich auch noch am laufenden Betrieb einer Hochschule zu beteiligen.

Mit dem Modell von Eckardt und Vollmer jedoch könnte ausgerechnet Thomas Flierl, dem profillosesten Berliner Kultursenator seit langem, die Revolutionierung der Berliner Opernszene in den Schoß fallen. Einfach deshalb, wie Flierl als guter Sozialist vielleicht sagen würde, weil die Widersprüche längst auf die Spitze getrieben sind. Doch die Chaotisierung der Verhältnisse, beteuerte der Senator in der Zeit, sei gar nicht seine Absicht gewesen.

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