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Terrorangst ergreift Washington

Wer ist der Serienkiller, der in Vororten der US-Hauptstadt schon achtmal zugeschlagen hat? Ein durchgeknallter Soldat?Ein hochgerüsteter Durchgeknallter? Oder einer von al-Qaida? Jedenfalls breitet sich ein Gefühl kollektiver Verwundbarkeit aus

aus Washington MICHAEL STRECK

Seit einer Woche hält ein kaltblütiger Heckenschütze Washington und seine Vororte in Atem. Doch es ist mehr als das Grauen über diese Verbrechen, das die Menschen befällt. Es ist das kollektive Gefühl der Verwundbarkeit, das sich erneut ausbreitet, und die Angst, es handelt sich wieder um einen Terroranschlag.

Achtmal hat der Mörder bereits nachweislich zugeschlagen. Sechs Menschen starben, zwei wurden verletzt. Die Opfer scheinen in keiner Verbindung miteinander zu stehen: Alter, Geschlecht und ethnische Herkunft sind völlig verschieden. Der Täter liebt es heimtückisch: Er benutzt ein Präzisionsgewehr, schießt aus großer Entfernung und zielt auf Menschen im Alltag – vor dem Supermarkt, beim Rasenmähen, beim Tanken oder Autowaschen. Ein 13-jähriger Schüler, der vor seiner Schule niedergestreckt wurde, war bislang sein letztes Opfer.

Doch kaum hatte der Bürgermeister von Montgomery County, einem der betroffenen Bezirke, am Mittwoch seine Erleichterung ausgedrückt, dass dies ein guter Tag für seine Bewohner sei, weil noch niemand erschossen wurde, meldeten die TV-Stationen einen neuen Mord. Wieder an einer Tankstelle.

Alle Morde wurden in Vororten der US-Hauptstadt verübt, die zu den wohlhabendsten Bezirken in den USA gehören. Viele Menschen pendeln von hier nach Washington zur Arbeit. Diese Gegenden sind nicht zuletzt deshalb beliebt, weil die Kriminalität relativ gering ist. Schießereien kannte man bislang vor allem aus den armen Schwarzenvierteln der Hauptstadt.

Nun verkriechen sich die Menschen auch in den Vororten, bleiben zu Hause und machen nur die nötigsten Besorgungen. Die Stühle vor Cafés sind leer, ebenso Bushaltestellen und Parkplätze. Lehrer verhängen die Fenster von Klassenzimmern. Viele Eltern schicken ihre Kinder nicht mehr in die Schule. Eine diffuse Angst ist da, dass es jeden überall treffen kann.

Eine fieberhafte Fahndung hat eingesetzt. 200 FBI-Ermittler durchsuchen Archive des US-Militärs nach ausgebildeten Scharfschützen, analysieren Waffenkäufe der letzten Wochen und gehen über 1.500 Hinweisen aus der Bevölkerung nach. Eine Armee von Spezialeinheiten durchkämmt Meter für Meter. Bislang ohne Erfolg. Lediglich eine Patronenhülse wurde gefunden und eine Nachricht auf einer Tarotkarte, die möglicherweise vom Täter hinterlassen wurde: „Lieber Polizist, ich bin Gott.“

Das Problem der Ermittler: Das Verhalten des Todesschützen passt nicht zum bekannten Verhalten von Serienkillern. Die töten meist aus der Nähe und ihre Opfer haben gemeinsame Merkmale. Die Menschen in Washington, bei denen die Mordserie Thema Nummer eins ist, haben daher ihre eigenen Therorien. Für die einen ist der Täter ein gedemütigter Offizier einer Armeespezialeinheit, der sich rächen will; für andere ein Verrückter, der nach zu vielen Videospielen Realität und Fiktion verwechselt. Eine Frau auf dem Weg zur Arbeit hat noch einen Einfall: „Warum nicht al-Qaida? Sie haben doch immer betont, die kriegen uns so oder so. Nun haben sie eine neue Idee.“

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