: Chávez-Gegner fordern Neuwahlen
Venezuelas Oppositionsblock hat sich ein halbes Jahr nach dem Putschversuch gegen Präsident Chávez von dem Schrecken erholt und demonstriert wieder in der Hauptstadt. Die Gewerkschaften drohen mit Generalstreik
BUENOS AIRES taz ■ Über 100.000 Menschen haben am Donnerstag in der venezolanischen Hauptstadt Caracas gegen Präsident Hugo Chávez demonstriert. Am Rande der Demonstration kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei, bei denen einige Chávez-Gegner verletzt wurden. In Sprprechchören und auf Transparenten forderten die Demonstranten den Rücktritt von Chávez.
Zu den Protesten unter dem Motto „Die Eroberung von Caracas“ hatte jenes breite Oppositionsbündnis aufgerufen, das von Unternehmerverbänden bis zu den Gewerkschaften reicht und vor sechs Monaten den Putschversuch gegen Chávez inszeniert und bejubelt hatte.
Carlos Ortega, Vorsitzender der Konföderation der venezolanischen Arbeiter (CTV), stellte ein Ultimatum. Entweder Chávez ruft binnen zehn Tagen Neuwahlen aus, oder die Gewerkschaften trommeln zum Generalstreik. Vizepräsident José Vicente Rangel gab sich kompromissbereit, verwies aber auf die Verfassung. Die Reform der Wahlgesetze brauche einige Monate, so dass Neuwahlen frühestens 2003 möglich wären. Just für dieses Datum hatte Chávez ein Referendum über seine Regierung vorgeschlagen. Er will am Sonntag bei einer Demonstration seinen Gegnern antworten.
Rückendeckung erhielten die Demonstranten vom Stabschef der Streitkräfte, Vizeadmiral Alvaro Martin Fossa. Aus Protest gegen Chávez hatte er am Donnerstag seinen Rücktritt erklärt. Er wolle damit ein Zeichen setzen gegen die „Politisierung der Streitkräfte“, wie er sagte. Vor der Massendemonstration rief er in einem Fernsehinterview die Militärs zur Zurückhaltung auf. „Brüder Soldaten, schießt nicht auf Demonstranten“, sagte er.
Im Vorfeld der Proteste hatte Verteidigungsminister José Luis Prieto gewarnt, dass die Armee eingreifen werde, wenn die öffentliche Ordnung gefährdet sei. Angeblich sollen 4.000 Soldaten nach Caracas verlegt worden sein, um den Präsidentenpalast zu schützen. Panzer hatten vor dem schmucken Gebäude Position bezogen, und Scharfschützen lagen auf den Dächern.
Seit dem Putschversuch vom 11. April herrscht politische Eiszeit. Die Opposition beschuldigt Chávez, seine Macht als Präsident zu missbrauchen und die Presse zu gängeln. Eine Delegation der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) befand allerdings erst kürzlich, es bestehe auf dem Gebiet der Bürgerrechte kein Handlungsbedarf. Die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ hingegen rief dazu auf, das politische Geschehen in Venezuela besser zu beobachten. INGO MALCHER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen