: Der Teufel steckt im Detail
Im Streit um die UNO-Inspektoren gibt sich die irakische Regierung verbal kooperationsbereit. Damit die Welt dies auch glaubt, dürfen Journalisten Anlagen besichtigen, in denen die USA die Produktion von Massenvernichtungswaffen vermuten
aus Bagdad KARIM EL-GAWHARY
Nach wie vor herrscht Verwirrung über die Frage, ob Saddam Hussein den ungehinderten Zugang der UN-Waffeninspektoren in alle Teile seines Landes zulassen will. Dass die irakische Regierung die UN-Waffeninspektoren prizipiell ins Land lassen will, hat sie bereits deutlich gemacht. Der Teufel steckt wie immer im Detail und vor allem in der Frage, ob sie ungehindert die Präsidentenpaläste unter die Lupe nehmen dürfen.
Nun tendiert Bagdad aber wenigstens verbal dazu, den Inspektoren freie Hand zu lassen. „Von uns aus mögen die Inspektoren suchen und inspizieren, wo immer sie möchten“, sagte der iraksiche Vizepräsident Taha Jassin Ramadan gegenüber dem Spiegel. In Kreisen ausländischer Diplomaten heißt es: Die Regierung habe inzwischen den Ernst der Lage verstanden und wisse, dass sie, wenn überhaupt, einen Krieg nur dadurch verhindern könne, dass sie die Waffeninspektoren ins Land und diese frei arbeiten lasse.
„Unsere Regierung wird mit den Waffeninspektoren voll kooperieren und ihnen vollständigen Zugang gewähren“, glaubt auch das irakische Parlamentsmitglied und der Dekan der Politischen Fakultät der Universität Bagdad, Muhammad Adhami. Das Problem, sagt Adhami, liege derzeit bei den USA. „Immer wenn wir Ja sagen, stellen sie dort neue Bedingungen und legen uns neue Steine in den Weg.“ Jetzt verlange Washington eine weitere Resolution und auch dieser werde Bagdad zustimmen, solange sie konstruktiv sei und die Dinge vereinfache, führt der Politologe weiter aus. Der Irak, so das Parlamentsmitglied, bedrohe derzeit niemanden. „Wir haben gute Beziehungen zu all unseren Nachbarn, sei es die Türkei, Syrien, Jordanien oder der Iran. Selbst zu Saudi-Arabien hat sich das Verhältnis gebessert. Und die USA sind zu weit weg, als dass sie sich ernsthaft von uns bedroht fühlen könnten.“
Unterdessen versucht es die irakische Regierung mit Gesten der Transparenz. Wiederholt hat das Informationsministerium ausländische Journalisten in verschiedene Produktionsanlagen geführt, in denen, so die Anklage Washington und Londons, Massenvernichtungswaffen hergestellt würden. Am Wochenende stand eine Fahrt in den Furad-Industriekomplex, eine halbe Autostunde südlich von Bagdad, auf dem Programm. Dort soll nach US-Angaben nukleare Forschung betrieben werden.
Tatsächlich, so der Leiter der Fabrik, Samir Ibrahim, sei dies die ursprüngliche Bestimmung des Komplexes gewesen. Nach dem Golfkrieg 1991 seien diese Aktivitäten allerdings eingestellt worden, später habe die Fabrik einen Freibrief der damaligen Unscom-Inspektoren bekommen. Heute diene der Komplex zur Forschung und Instandsetzung militärischer elektronischer Geräte, erklärte Ibrahim vor einem kurzen Rundgang. Für militärelektronisch ungeschulte Journalisten war es natürlich unmöglich, sich ein seriöses Bild zu machen. Die Mitarbeiter saßen angesichts der über 100-köpfigen journalistischen Invasion etwas steif vor ihren Computern und Messgeräten. Eine Mitarbeiterin starrte stur auf ihren Bildschirm, während sie ihre elektronischen Forschungen betrieb, indem sie mit dem Cursor durch eine der letzten arabischen Reden Saddam Husseins wanderte.
Einige britische und amerikanische Kollegen, die sich ernsthaft an die Dedektivarbeit machen wollten, bemerkten in ihrem Eifer auf den Teppichen Streifspuren von verrückten Gegenständen und sahen, dass das schwarze Brett auffällig leer war.
Fabrikleiter Ibrahim will sich aber auch einer ernsthaften Inspektion nicht verschließen. „Wir laden die UN-Waffeninspektoren jederzeit ein, die Anlage zu besuchen“, erklärte er. Auf die Abschiedsfrage, ob er glaube, dass seine Anlage im Kriegsfalle bombardiert werden würde, nickte er nur stumm.
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