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Erstmals ermitteln Staatsanwälte

AKW Obrigheim: Gutachter stellt fest, dass das Notkühlsystem zehn Jahre lang nur bedingt funktionsfähig war. Bundesumweltminister Jürgen Trittin bestellte Atomaufsicht des Landes zum Rapport. Die aber erschien nicht

von KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT und NICK REIMER

Gerhard Goll ist nicht nur Vorstandsvorsitzender der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW). Gerhard Goll ist auch passionierter Verschwörungstheoretiker.

Das „hohe Gut der Sicherheit in Kernkraftwerken“ sei von Bundesumweltminister Jürgen Trittin „instrumentalisiert“ worden, schimpfte Goll gestern: um die beantragte Laufzeitverlängerung für das AKW Obrigheim zu sabotieren. Es sei doch auffällig, dass ausgerechnet während der Koalitionsverhandlungen angebliche Sicherheitsmängel öffentlich gemacht würden.

Tatsächlich hält Trittin im Poker mit dem Bundeskanzler seit dem Wochenende neue Trümpfe in der Hand: gegen die Betreiber des AKW ermittelt die Staatsanwaltschaft des nordbadischen Mosbach, zu deren Sprengel die Gemeinde Obrigheim gehört. Hintergrund sei ein „Anfangsverdacht“ auf unerlaubtes Betreiben einer kerntechnischen Anlage nach § 327 Strafgesetzbuch, so die Staatsanwaltschaft.

Der Tatbestand des „unerlaubten Betriebs“ sei auch dann erfüllt, wenn das Vorgehen der Verantwortlichen wesentlich von der ursprünglichen Genehmigung abweiche, sagte Oberstaatsanwalt Martin Zöllner. „Wir betreten hier wohl juristisches Neuland.“ Seines Wissens sei wegen dieses Vorwurfs in Deutschland noch nie Anklage erhoben worden. Die Ermittlungen dürften sich noch mindestens ein halbes Jahr hinziehen.

Vor Jahresfrist hatte das ebenfalls von EnBW betriebene AKW Philippsburg mit Pannen im Kühlsystem für Furore gesorgt. Umweltminister Trittin erklärte damals, die Energie Baden-Württemberg müsse „alle Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit ausräumen“. Andernfalls, so Trittin, „stehen der Atomaufsicht ausreichende Handlungsinstrumente zur Verfügung“. Um sicher zu gehen, hatte das Bundesumweltministerium als oberste Aufsichtsbehörde seinerzeit eine Prüfung der anderen von EnBW betriebenen Reaktoren initiiert – Obrigheim und Neckarwestheim. „Im Zuge dieser Untersuchung ist der Fehler aufgedeckt und uns mitgeteilt worden“, erklärte Ministeriumssprecher Michael Schroeren. Insofern sei der Vorwurf der Instrumentalisierung „Quatsch“.

Der Atomphysiker Richard Donderer, Mitglied der Reaktorsicherheitskommission, hatte herausgefunden, dass der Reaktor in Obrigheim über zehn Jahre hinweg nach den Jahresrevisionen immer wieder angefahren wurde, obwohl der Füllstand in einem der Flutbehälter des Notkühlsystems nicht den Vorschriften entsprach. Das Wiederanfahren gilt als besonders kritische Phase. „Aber auch im Dauerbetrieb ist in diesem Flutbehälter immer zu wenig Wasser gewesen“, so Donderer Anfang Oktober im zitierten Schreiben an das Bundesumweltministerium.

Für das Ministerium Anlass, die Atomaufsicht von Baden-Württemberg nach Berlin einzubestellen. Allerdings erschienen die Beamten von Landesumweltminister Ulrich Müller (CDU) am vergangenen Freitag nicht. Auch zum gestrigen zweiten Termin kam keiner. „Wir bestehen auf unserem Aufklärungsanspruch“, so Schroeren.

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