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spd-parteitag in bremen-nordBeckmeyers erster Bericht aus Berlin

Der Schröder, äh, Gerd

Johannes Philipp kochte vor Wut. Kaum war der Parteitag des SPD-Unterbezirks Bremen-Nord im Bürgerhaus Vegesack eröffnet, stürmte der Delegierte aus Blumenthal ans Rednerpult. Über die Tagesordnung wolle er reden: Die sei eine Zumutung! Dem Genossen missfiel, dass es den ganzen Abend lang nur um Wahlen gehen sollte: Auf der Rednerliste standen der Leiter des Statistischen Landesamtes mit einer Analyse des Bundestagswahlergebnisses, der Bundestagsabgeordnete mit dem Dank an seine Wahlkampfhelfer und der Fraktionschef mit einem Ausblick auf die Bürgerschaftswahl. „Wer sind wir denn?“, brauste Philipp auf, „sind wir nur ein Wahlverein oder haben wir auch inhaltliche Dinge zu besprechen?“

Uwe Beckmeyer konnte die Gemüter rasch beruhigen – mit der prallen Autorität eines Erststimmenergebnisses von über 58 Prozent. Der frisch gewählte MdB hatte die Fraktionssitzung am Mittag geschwänzt, um nach Bremen zu reisen. Zuvor habe er aber an einem Treffen des Fraktionsvorstands teilnehmen dürfen, „und dort hat Schröder, äh, Gerd“, gesprochen, berichtete Beckmeyer. Imponiert habe ihm „die Atmosphäre aus Respekt und Wärme“, in der das Gremium getagt habe. Das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen sei „für das Land gut, für die Interessenverbände nicht ganz so gut“, habe der Kanzler dort gesagt. Beckmeyer hat den Satz mitgeschrieben, und er findet ihn richtig gut. Sollen die Wirtschaftslobbyisten nur auf Rot-Grün schimpfen. Entscheidend sei, „dass wir die Unterstützung der Gewerkschaften haben“. Immerhin sei man bei der Ganztagesbetreuung „vertragstreu“, die Hartz-Vorschläge seien ein „Jahrhundertreformprojekt“ und die Mindestbesteuerung der großen Konzerne komme auch. Na gut, man habe einen „gigantischen Krater bei den Staatsfinanzen zu schließen“. Der Koalitionsvertrag sei aber nicht schlechter als vorherige. Schlechter geworden sei allein die Zeit, zu der er abgeschlossen werde, merkte Beckmeyer an.

Jens Böhrnsen oblag es, den nächsten Wahlkampf einzuläuten: Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) habe, als er sich jüngst für die Bebauung des Hollerlandes ausgesprochen habe, „unseriös, unsolide und von Sachkenntnis nicht besonders getrübt“ dahergeredet, sagte der SPD-Fraktionschef. Wenn Perschau das Thema zum Knackpunkt erklären wolle, könne er die Große Koalition ab Ende Mai für beendet erklären: „Ob es auch nach dem 25. Mai eine gute Begründung für die Große Koalition geben wird, würde ich derzeit mit einem dicken Fragezeichen versehen“, so Böhrnsen. Markus Jox

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