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Künstler, füllt die Lokale!

Erste Hilfe für Existenzgründer aus dem kulturellen Sektor: Vom Quartiersmanagement geförderte Projekte vermieten leer stehende Gewerberäume zu günstigen Konditionen

Viele Kunsthochschulstudenten landen nach dem Studium nicht in festen Arbeitsverhältnissen, sondern wagen den Schritt in die Selbständigkeit. Leider richten sich viele Existenzgründerprojekte der Berliner Unis jedoch hauptsächlich an Studierende aus Technologie- und Wirtschaftsbereichen.

Eine erste Hilfe hat das Quartiersmanagement Friedrichshain im Rahmen des Projektes „Boxion“ vergangenes Jahr durch die Finanzierung des „Schauraums“ geleistet: Seit einem Jahr wird der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) dieser Raum kostenfrei zur Verfügung gestellt. Genutzt wurde der Schauraum in der Scharnweberstraße 35 bislang hauptsächlich zu Ausstellungszwecken, in Planung ist aber auch die Gründung des Modelabels „30 Hände“ von Studierenden der Fachhochschule.

Wiederbelebung der Kieze

Auch sonst werben die Quartiersmanagements derzeit um die Kreativen der Stadt. Für diejenigen mit gutem Konzept und begrenzten Mitteln können Projekte wie „boxion“, die „Kolonie Wedding“ oder die „Zentrale Moabit“ eine Lösung bieten. Im Zuge des Bund-Länder-Programms „Soziale Stadt“ haben die Quartiersmanagements der Kieze Projekte entwickelt, die den Leerstand der Läden beseitigen sollen. Die betroffenen Stadtteile sollen durch Ansiedlungen von Leuten aus dem Kreativbereich wiederbelebt werden.

Das Projekt „boxion“ in Friedrichshain beispielsweise geht nun schon ins dritte Jahr. Den Teilnehmern des Projekts wird ein teilsubventionierter Laden von 30 bis 70 Quadratmetern bereitgestellt. Sie erhalten zudem Unterstützung seitens der Agentur Spielfeld bei organisatorischen Angelegenheiten. Viele der Teilnehmer sind Studierende oder Absolventen künstlerischer Studiengänge.

Beatrix Zückert etwa, eine Absolventin des Fachbereichs Bekleidungsgestaltung der FHTW, hat im März 2002 zusammen mit zwei Kolleginnen über boxion ihren Laden „Arché“ gegründet. „Von der Uni kam leider kaum Unterstützung, daher hatten wir boxion ins Auge gefasst.“

Erklärtes Ziel der Kiez-Projekte ist die langfristige Ansiedlung von Existenzgründern. Doch gerade bei der Dauerhaftigkeit zeichnen sich Probleme ab. So ist die Miete zunächst zwar äußerst günstig, häufig befinden sich die Läden aber im toten Teil des Kiezes, und es gibt wenig Laufkundschaft. Zudem entsprechen die Anwohner meist nicht der Zielgruppe der jeweiligen Läden. „Deswegen sagen wir gleich: Wenn euer Konzept nur auf Laufpublikum angelegt ist, funktioniert das hier nicht“, so Carmen Reiz von der Agentur Spielfeld.

Förderung nur ein Jahr

Eine weitere Schwierigkeit zeichnet sich gerade jetzt ab, wo die Förderung für das Jahr 2002 bald ausläuft. Denn nach einem Jahr Förderung sollen die Mieter die Läden aus eigener Kraft übernehmen und fortan für alle Kosten selbst aufkommen. Dieses Ziel erweist sich in der Praxis oft als unrealistisch. „Drei Jahre Förderung wären eigentlich das Minimum für eine Existenzgründung“, so Carmen Reiz. Die Agentur Spielfeld bemüht sich nun darum, zusätzliche Gelder zur Unterstützung aufzutun.

Sollte dieser Versuch nicht klappen, wäre das für Beatrix Zückert und ihren Laden wahrscheinlich das Aus. Daher sollten die Konzepte gut durchkalkuliert sein. „Wir haben die Erfahrung gemacht“, so Carmen Reiz, „je genauer die Konzepte sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Leute es schaffen.“

Die Bewerbungsfrist für boxion 2003 läuft noch bis Ende Oktober. Infos unter www.boxion.de

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