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Bunte Bilder, rote Zahlen

FC St. Pauli-Präsident Reenald Koch wollte sich an der Realisierung des Stadionneubaus messen lassen. Jetzt beschwert vor der Jahreshauptversammlung des Vereins eine weitere Hiobsbotschaft sein Vorhaben: Das Projekt ist nicht finanzierbar

Wird es ohne das Stadion weiter einen Präsidenten Reenald Koch geben?

Von MARCO CARINI und OKE GÖTTLICH

Bunte Bilder sollen es richten. Auf der Jahreshauptversammlung des FC St. Pauli werden Vereinspräsident Reenald Koch und sein Vize Christian Pothe am Freitag mit einem Feuerwerk aus farbenfrohen Grafiken und wohlklingenden Vollzugsmeldungen die Mitglieder auf eine schöne neue Stadionwelt am Millerntor einstimmen. Die Botschaft: Der Bau der seit Jahrzehnten geplanten Fußball-Arena steht unmittelbar bevor.

Die inszenierte Jubelarie soll vor allem eines garantieren: Die Abwahlanträge, mit denen sich das Präsidiumsduo Koch und Pothe konfrontiert sieht, zu überstehen. Doch die bunte Bilderwelt ist nur Schall und Rauch. Das Stadion-Projekt, auch von Koch zur Voraussetzung für das Überleben des Vereins erklärt, steht nach Information der taz unmittelbar vor dem Scheitern. Dem Finanzierungsmodell droht der Zusammenbruch, auf die Rechte an den fortgeschrittenen Planungen für die aus finanziellen Gründen notwendige Mantelbebauung am Rande des Stadions hat der Verein keinen Zugriff mehr.

Geplant war, im Sommer des kommenden Jahres mit der Realisierung des 110-Millionen-Projektes „Sport- und Gesundheitspark St. Pauli“ zu beginnen. Neben dem rund 45 Millionen Euro teuren Neubau des Stadions ist eine aufwendige Bebauung des Stadionvorplatzes an der Budapester Straße geplant, die rund 65 Millionen Euro verschlingen soll. Hier sollen ein neues Schwimmbad, ein Hotel, ein Kindergarten und ein 17-stöckiger Büroturm entstehen. Mit den Mieteinnahmen aus diesen Objekten soll der Stadionbau langfristig finanziert werden – ohne sie ist er nicht bezahlbar.

Zwar sind die Architekten-Planungen weit fortgeschritten, die Finanzierung des Stadionprojektes aber ist unklarer denn je. Seitdem im vergangenen Februar die Versicherung „Securvita“ als Finanzierungspartner ausgestiegen ist, fehlt dem Verein nach wie vor ein zahlungskräftiger Nutzer für das geplante Bürohochhaus, das dem Verein das Gros der fest eingeplanten Mieteinnahmen bescheren sollte. Securvita hatte ein Finanzierungsmodell mittels Immobilienfonds vorgeschlagen. Doch schon damals gab es auch vom Hauptsponsor Zweifel an der Parallelvariante des Vereinspräsidiums, den Stadionbau durch EU-Fördermittel zu finanzieren. Noch schlimmer aber: Dem Club vom Millerntor fehlt jegliches Eigenkapital, das eine Bankenfinanzierung ermöglichen würde.

Um sich dieses zu beschaffen, hat Markus Linzmair, Direktor der Hamburger Dependance der Bankgesellschaft Berlin, für den Verein einen kühnen Plan ersonnen: Das benötigte Kleingeld in Höhe von über 30 Millionen Euro soll je zur Hälfte aus den Fördertöpfen der Europäischen Union und aus dem Hamburger Haushalt fliessen. Da diese angeblich verfügbaren Fördermittel aber nicht für einen kommerziellen Stadionneubau eingeworben werden können, soll den Brüsseler Geldgebern der Beitrag des „Sport- und Gesundheitsparks“ für die Schaffung von Arbeitsplätzen, den Ausbau der touristischen Infrastruktur und die Entwicklung des benachteiligten Stadtteils St. Pauli angepriesen werden. Die Restsumme soll über Kredite finanziert werden, hauptsächlich von der Europäischen Investitionsbank.

Die Strategie hat nur ein Problem: Das Finanzierungsmodell ist ein Luftschloss. Fördermittel in zweistelliger Millionenhöhe existieren für diesen Zweck weder in Brüssel noch in der Hansestadt. Die Finanzvorstellungen des Vereins seien „mit den konkreten Fördermöglichkeiten nicht in Einklang zu bringen“, lautet die definitive Absage aus der Hamburger Finanzbehörde. Rechnen könnten die Stadionplaner nach Angaben der Wirtschaftsbehörde allenfalls mit rund 2 Millionen Euro Zuwendungen aus dem „Europäischen Fonds für regionale Entwicklung“ (EFRE).

Doch obwohl Koch und sein Vize Pothe vom ehemaligen Stadionchefplaner Frank Fechner offenbar schon vor Monaten vor dem Förder-Bluff schriftlich gewarnt wurden, setzen sie weiter unverdrossen auf die von Linzmair versprochenen Förder-Millionen unbekannter Herkunft. Den alarmierenden „Zwischenbericht“ Fechners hielten sie vor dem Aufsichtsrat über Monate geheim – und setzten seinen Verfasser schließlich vor die Tür. Offiziell spielt Vereinsvize Pothe das auf den Fördermillionen basierende gegenwärtige Finanzierungskonzept zur „Untervariante eines der Denkmodelle“ herunter, der Verein plane „nicht fest“ mit öffentlichen Geldern.

Die Fakten aber sprechen eine andere Sprache: Bereits im Frühjahr wies das Präsidium die für den Verein tätigen Stadionplaner an, alle anderen Finanzierungskonzepte nicht weiter zu verfolgen und die Erfolg versprechenden, weit fortgeschrittenen Verhandlungen mit mehreren Hamburger Projektentwicklern und Immobilieninvestoren ohne Ergebnis abzubrechen. Zudem wurde im September – gegen ein erfolgsunabhängiges Mindesthonorar von 30.000 Euro – ein Fördermitteleinwerber aus Brandenburg beauftragt. Denn ohne die Millionen aus Brüssel und Hamburg kracht das Finanzierungskonzept wie ein Kartenhaus zusammen. Fließen sie nicht, heißt es: Zurück auf Los.... .

Doch damit nicht genug: Im September kündigte Pothe in seiner Funktion als Geschäftsführer der Stadionbetriebsgesellschaft mit fadenscheinigen Begründungen den Architeken für die Vorplatzbebauung die Zusammenarbeit auf. Er weigert sich, die fälligen Honorare in Höhe von 272.000 Euro zu zahlen. Stattdessen wurden die Pläne von Markus Linzmair – der ohne eine formale Funktion zu haben inzwischen die Stadionplanung für die Betriebsgesellschaft federführend betreibt – zur weiteren Bearbeitung an ein anderes Architektenbüro weitergereicht. Das sitzt in München und verfügt über keinerlei Erfahrung mit der Realisierung von Projekten dieser Größe.

Doch alle Rechte für die Planungen, für die zum Teil schon grünes Licht vom Bezirksamt Mitte signalisiert wurde, liegen bei den gefeuerten Architekten. „Die juristische Lage ist glasklar: Ohne unsere Zustimmung wird es keine Umsetzung der Pläne und auch keine behördliche Baugenehmigung geben“, erklärt Alexandra Czerner, vom betroffenen Architektenbüro „KHD Czerner“. „Die Machenschaften von Herrn Pothe und Herrn Linzmair sind unseriös und höchst unprofessionell. Von diesen Herren wird das gesamte Projekt gegen die Wand gefahren.“

Da mit der Betriebsgesellschaft „keine Einigung in Sicht“ sei, so Czerner, trifft man sich am 14. November vor dem Hamburger Landgericht wieder, um die ausstehenden Honorare einzuklagen. Doch die Betriebsgesellschaft verfügt derzeit gar nicht über genügend liquide Mittel, um die Rechnung zu begleichen: Ohne Finanzspritze vom Verein droht ihr die Insolvenz, über die in trauter Präsidiumsrunde nach taz-Informationen bereits eingehend diskutiert wurde.

„Der FC St.Pauli wirbt Mittel ein, die es nicht gibt, um Pläne zu realisieren, über deren Rechte er nicht verfügt“, bringt ein Vereins-Insider die momentane Situation auf den Punkt. Pothe und Koch, die angekündigt hatten, der Mitgliederversammlung ein schlüssiges Finanzierungskonzept für Stadion und Mantelbebauung zu präsentieren, werden nun mit leeren Händen dastehen.

Sie müssen versuchen, jede Diskussion über die Planungsinterna abzubrechen und das Thema Mantelbebauung draußen vorzulassen – wollen sie die vorliegenden Abwahlanträge unbeschadet überstehen. Mittlerweile stehen nach Informationen der taz bereits einige der Firmen, mit deren Hilfe das Mammut-Projekt realisiert werden soll, aufgrund der Chaos-Planung kurz vor dem Absprung.

„Ohne Präsident Reenald Koch wird es kein Stadion geben“, versuchte das scheidende Aufsichtsratsmitglied Peter Benckendorff vor wenigen Tagen noch einmal Stimmung für den angezählten Vereinsboss zu machen. Aufgrund der nackten Fakten stellt sich am kommenden Freitag aber vor allem eine Frage: Wird es ohne das Stadion weiterhin einen Präsidenten Reenald Koch geben?

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