: Möllemann urlaubt – FDP rudert
Jürgen Möllemann erholt sich auf Gran Canaria, während die FDP über Entmachtungsstrategien nachdenkt. Aber es ist gar nicht so einfach, einen Landesvorsitzenden loszuwerden. Denn die Satzung ist nicht eindeutig, wie ihre Lektüre ergab
aus Düsseldorf PASCAL BEUCKER
Das Ultimatum von Guido Westerwelle läuft: Bis heute soll Jürgen Möllemann die wahren Spender der 840.000 Euro auf seinem „Wahlkampfsonderkonto“ preisgeben. „Wenn jemand Briefe schreiben kann und Journalisten empfängt, erwarte ich, dass er auch die Namen aller Spender bis zum Landesvorstand am Montagabend nennen kann“, so der FDP-Chef. Doch bisher bleibt Möllemann stumm, der sich in seinem Ferienhaus auf Gran Canaria aufhalten soll. Er war weder für FDP-Landeschatzmeister Andreas Reichel noch für seinen Sprecher Michael Block zu erreichen. „Es gibt nichts Neues von ihm“, sagte Block der taz.
Der Druck wird indes größer: „Wenn er nicht den Notausgang findet, muss die Partei klar und auch für die Menschen draußen erkennbar einen Schlussstrich ziehen“, forderte Andreas Pinkwart, FDP-Vize in Nordrhein-Westfalen. Er rechnet damit, dass der Landesvorstand Möllemann heute auffordern wird, als Landesvorsitzender zurückzutreten.
Sollte sich Möllemann weigern, gibt es diverse Möglichkeiten, ihn abzusetzen. Eine umständliche Variante: Die Hälfte der Kreisverbände müsste einen Misstrauensantrag beschließen. Schneller ginge es, wenn der Landesvorstand geschlossen zurückträte. Dafür plädierte etwa der Kölner FDP-Bezirkschef Werner Hoyer: „Dies wäre eine sinnvolle politische Lösung.“
Allerdings gibt es Zweifel, ob sie wirklich ihr Ziel erreichen würde. Denn jetzt liegt der Fall anders als 1994, als Möllemann zum ersten Mal gestürzt wurde, weil er versucht hatte, den damaligen Parteichef Klaus Kinkel zu demontieren. Vor acht Jahren demissionierte der Landesvorstand inklusive Möllemann. „Es ist satzungsrechtlich umstritten, ob Möllemann nicht einfach im Amt bleiben kann, wenn wir alle zurücktreten, aber er nicht“, sagte seine Stellvertreterin Ulrike Flach zur taz. Sie plädiert für die umgehende Einberufung eines Sonderparteitages, um den Landesvorsitzenden abzusetzen.
Auf eine vollständige Genesung Möllemanns, der an Herzrhythmusstörungen leidet, will Flach nicht warten. „Wenn er sich nicht kooperativ verhält, muss der Parteitag zur Not auch ohne ihn stattfinden.“ Flach kündigte zudem an, dass Prüfer nun auch die Parteifinanzen der vergangenen Jahre kontrollieren werden. Dies liegt nahe, ist doch schon eine Spendenquittung aus vergangenen Jahren aufgetaucht, wohingegen die angebliche Gönnerin bestreitet, jemals Geld an die FDP überwiesen zu haben.
Inzwischen rücken auch engste Weggefährten von Möllemann ab. So empfahl ihm der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Kubicki, von seinen FDP-Ämtern zurückzutreten. Dazu gehört auch der Fraktionsvorsitz in Nordrhein-Westfalen und das Bundestagsmandat, das Möllemann allerdings selbst schon zur Disposition gestellt hatte. „Als Freund rate ich ihm, sich keinen Kämpfen auszusetzen, die sinnlos erscheinen“, sagte Kubicki.
Allerdings sieht er bisher keinen Straftatbestand erfüllt. Dafür müssten die Spenden bereits in die Buchführung der Partei eingegangen sein, sagte der praktizierende Rechtsanwalt. „Das ist bisher nach Aussage von Landes- und Bundesschatzmeister aber noch nicht geschehen“.
Der Parteienrechtler Hans Herbert von Arnim warf Möllemann hingegen vor, in jedem Fall das Parteiengesetz verletzt zu haben. Es wäre „aberwitzig“, wenn sich der FDP-Politiker damit herausreden wolle, die Spenden als Privatmann empfangen zu haben. Denn das umstrittene Flugblatt, das damit finanziert wurde, sollte eindeutig für die FDP werben. Zudem habe er auch als Landtagsabgeordneter eine Spendenanzeigepflicht.
Das sieht anscheinend auch die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft so; sie prüft ein Ermittlungsverfahren gegen Möllemann. Neben den möglichen Verstößen gegen das Parteiengesetz könnte auch wegen Urkundenfälschung ermittelt werden, falls Möllemann tatsächlich die Spenden unter falschem Namen eingezahlt haben sollte.
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