Mädchen chillen im Schillerkiez

Dass ein Projekt startet, wirkt wie ein Kontrapunkt im derzeitigen rot-roten Schließkonzert. In Neukölln eröffnet heute das Mädchencafé „Schilleria“

von IRENE HUMMEL

„Ich habe extra zu Hause nichts gegessen, weil wir doch heute kochen wollen.“ Strahlend stürzt die zwölfjährige Hüsniye zur Tür des Mädchencafés „Schilleria“ herein. Die Betreuerin verdreht die Augen. Dass die Mädchen zu Hause ihr Essen stehenlassen, war nicht gerade die Intention des Jugendamts Neukölln gewesen, als ein neuer Treff für Zehn- bis Achtzehnjährige Mädchen geplant wurde.

Die Idee dazu entstand im Fachbereich Jugendförderung vor etwa zwei Jahren. Bei einer Studie über das Freitzeitverhalten Neuköllner Jugendlicher hatte sich damals fast ein Viertel aller teilnehmenden Mädchen ausdrücklich mehr Angebote nur für Mädchen gewünscht, vor allem Aufenthalts- und Kommunikationsräume. Der Wunsch danach „lässt sich auch damit erklären, dass die vorhandenen Räume bereits durch Jungen ‚besetzt‘ sind und die Mädchen sich dahin nicht mehr ‚trauen‘ “, heißt es in der Studie.

„Mit der Eröffnung der Schilleria haben wir jetzt in jedem Sozialraum der Altstadt eine Mädcheneinrichtung“, sagt Hedy Speck-Öztoprak, die zuständige pädagogische Sachbearbeiterin im Neuköllner Jugendamt. „Der Anteil der nichtdeutschen Bevölkerung ist hier sehr hoch, bei den unter 27-Jährigen liegt er zum Teil bei fast 50 Prozent, wie im Quartiersgebiet Schillerpromenade. Viele dieser Mädchen dürfen nicht in gemischte Einrichtungen und sind daher wenig sichtbar.“

Doch das Geld ist in Neukölln knapp wie überall, und so lag der Plan lange auf Eis. Erst als eine Sozialarbeitspraktikantin mit der Weiterentwicklung beauftragt wurde, bekam er Konturen. Sie fand übergangsweise Räume in einer Grundschule, sodass interessierte Mädchen einen Anlaufpunkt hatten. Es kamen sogar so viele dorthin, dass zusätzlich eine Honorarkraft eingestellt werden musste. Das Programm „Kompetenz und Qualifikation für junge Menschen in sozialen Brennpunkten“ des Bundesfamilienministeriums kam schließlich zum richtigen Zeitpunkt – das Mädchencafé-Projekt bewarb sich erfolgreich um Fördermittel.

Die Auflage, die Gelder bis Jahresende zu verbrauchen, gab der „Schilleria“ enormen Schwung. Mitte September wurde der Mietvertrag für einen Eckladen im Schillerkiez unterschrieben. Begeistert nahmen die Mädchen die neuen Räume in Besitz, planten die Einrichtung, strichen Stühle an und dekorierten. Gemeinsam mit den Betreuerinnen bauten sie Möbel und Küchenschränke auf. In allen Räumen wuseln sie umher, denn bis zur heutigen offiziellen Eröffnung mit Eltern, Nachbarn, Presse und Jugendstadtrat gibt es noch alle Hände voll zu tun. Auf Eigeninitiative wird dabei Wert gelegt, langfristig soll die Einrichtung von den Mädchen selbst verwaltet werden.

Die haben schon viele Wünsche und Ideen auf eine lange Liste geschrieben, die im Café aushängt. Ausflüge wollen sie machen, im Internet surfen, Sport treiben und tanzen, aber auch kochen und backen. „Das ist ja toll – zu Hause durfte ich das noch nie!“, diesen Satz hören die Sozialpädagoginnen oft. Mit großer Begeisterung werden die Diskos und Partys erwartet. Hier ist die Eigeninitiative besonders stark: „Die Betreuerinnen sollen dann bitte mal woanders hingehen“, steht auf der Liste.

„Schilleria“ Mädchencafé, Weisestr. 51, 12049 Berlin, Tel. 62 72 36 02, Di., Mi., Fr., Sa. 14–20 Uhr. Offizielle Eröffnung um 16.00 Uhr, anschließend Disko für Mädchen