: Hunderte Festnahmen, kaum ein Prozess
In den USA wurden trotz der Aushebung zahlreicher angeblicher Terrorzellen bislang nur wenige Verfahren eröffnet
WASHINGTON taz ■ In den USA verläuft der juristische Kampf gegen den Terror schleppend und hinterlässt zuweilen den Eindruck der Willkür. Manchen mutmaßlichen Terroristen und ihren Helfershelfern wird der Prozess gemacht, vielen anderen nicht. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 wurden in den USA hunderte Verdächtige inhaftiert und zahlreiche angebliche Terrorzellen zwischen Ost- und Westküste ausgehoben. Bislang wurden jedoch nur wenige Gerichtsverfahren eröffnet.
Das soll nun anders werden. Am Montag verkündete ein US-Gericht im Bundesstaat New York die Anklage gegen sechs US-Bürger jemenitischer Abstammung, die die Terrororganisation al-Qaida logistisch und materiell unterstützt haben sollen. Da dies nach US-Recht den Tatbestand der verbrecherischen Verschwörung erfüllt, müssen sie mit einer Haftstrafe von bis zu 15 Jahren rechnen. Nach Zeugenaussagen haben sie sich im Frühjahr 2001 in einem Terrorcamp in Afghanistan aufgehalten. Ihre Anwälte bestreiten aber, dass die Männer zu einer „Schläferzelle“ in den USA gehören.
Der bisher spektakulärste Prozess gegen den „American Taliban“ John Walker Lindh endete kürzlich mit dem Urteil von 20 Jahren Gefängnis. Lindh hatte sich des illegalen Sprengstoffbesitzes und der Unterstützung des Taliban-Regimes schuldig bekannt. Die Richter ließen im Gegenzug zum Schuldbekenntnis den Anklagepunkt Verschwörung zur Ermordung von US-Bürgern fallen und vermieden so eine lebenslange Strafe.
Bizarr gestaltet sich das derzeit zur weiteren Beweisaufnahme ausgesetzte Verfahren gegen den Franzosen Zacarias Moussaoui, den vermeintlichen „20. Flugzeugentführer“. Der gebürtige Marokkaner lehnt eine Verteidigung durch US-Anwälte ab und hält seine eigenen, konfusen, stets mit Beschimpfungen gepaarten Plädoyers. Er hatte gestanden, für al-Qaida gearbeitet zu haben und an „Verschwörungen“ gegen die USA beteiligt gewesen zu sein. Moussaoui ließ sich in den USA als Pilot ausbilden und soll Geld von der Hamburgzelle um Mohammad Atta erhalten haben. Er streitet jedoch ab, die Attentate vom 11. September mit geplant zu haben. Bei einer Verurteilung droht ihm die Todesstrafe.
Der Prozess gegen den „Schuhbomber“ Richard Reid ging rasch über die Bühne. Der Brite hatte sich schon vor Wochen schuldig bekannt, im Dezember 2001 ein Flugzeug über dem Atlantik sprengen zu wollen. Die Anklage lautet: versuchter Mord und Gebrauch von „Massenzerstörungswaffen“. Die Staatsanwaltschaft wird wohl lebenslänglich beantragen. Das Urteil wird im Januar erwartet.
In anderen Fällen versucht die US-Regierung jedoch zivile Gerichtsverfahren zu vermeiden. Dazu hat sie die Gefangenenkategorie des „feindlichen Kämpfers“ proklamiert, die den Inhaftierten ihre verfassungsgemäßen Grundrechte abspricht. Ohne Anwalt und Anklage werden sie unbegrenzt festgehalten. Selbst US-Bürgern wird dieser Status verliehen. So sitzt etwa Jose Padilla, ein in Chicago verhafteter Amerikaner, seit Monaten in einem Militärgefängnis in South Carolina. Ihm wird vorgeworfen, in den USA einen Anschlag mit einer „Dirty Bomb“ vorbereitet zu haben.
Der Titel „feindliche Kämpfer“ hat aus Sicht der US-Regierung einen Vorteil: FBI und CIA können ungestört durch komplizierte Prozesse versuchen, so viele Informationen wie möglich von den Inhaftierten zu erhalten. Das gilt auch für mutmaßliche Terroristen, die in einem anderen Land festgenommen wurden. Der CIA übergibt sie dann gern Staaten wie Ägypten oder Jordanien, wo sie mit folterähnlichen Methoden verhört werden können, die in den USA selbst illegal sind. MICHAEL STRECK
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