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Der Handschlag wird fester

Die Koalitionsfraktionen stellen sich hinter die Regierungslinie zum Solidarpakt: „Eindeutiges Votum“ bei der SPD, eine Gegenstimme bei der PDS. Ihre Vorsitzenden demonstrieren den Schulterschluss

von STEFAN ALBERTI

Mit einem gemeinsamen Auftritt ihrer Chefs haben sich die Koalitionsfraktionen nach dem Scheitern des Solidarpakts hinter die Senatslinie gestellt. Seite an Seite und mit teilweise denselben Worten unterstützten Michael Müller (SPD) und Stefan Liebich (PDS) gestern die so genannten einseitigen Maßnahmen für den öffentlichen Dienst: Einstellungsstopp, längere Arbeitszeiten und keine Tariferhöhungen. Das sei zwar „arbeitsmarktpolitisch absolut kontraproduktiv“, aber nach Abbruch der Gespräche die einzige Alternative. Zugleich riefen beide die Gewerkschaften zu erneuten Gesprächen auf. Auch Beamtenbund und Grünen-Fraktion forderten weitere Verhandlungen.

„In diesen Zeiten halten wir das für angemessen“, kommentierte SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller den ungewöhnlichen Doppelauftritt. Man dokumentiere, dass beide Koalitionäre an einem Strang ziehen, sagte Müller. Nach Abbruch der Solidarpaktverhandlungen war in der Opposition das Ende von Rot-Rot prophezeit worden. Schon bot CDU-Chef Christoph Stölzl seine Partei für eine Neuauflage der großen Koalition an. Selbst die FDP-Fraktion brachte sich ins Gespräch. Fraglich schien, wie sich die Linie des Senats mit dem beim Geraer Parteitag vereinbarten sozialistischeren PDS-Profil vereinbaren lässt.

Tatsächlich aber trägt nicht nur Liebich, sondern auch fast die komplette 33-köpfige PDS-Fraktion den Senatskurs. Zu einem entsprechenAntrag an das Abgeordnetenhaus gab es laut Liebich nur eine Gegenstimme und zwei Enthaltungen. Der Fraktionschef widersprach Mutmaßungen, Zimmer und die PDS-Bundesebene kontrollierten die Berliner Genossen über ein jüngst vereinbartes Koordinierungsgremium: „Falls Sie vermuten, wir hätten da einen Kommissar eingesetzt, dem wir unsere Beschlüsse vorlegen müssen, irren Sie.“ SPD-Fraktionschef Müller bezeichnete die PDS als verlässlichen Partner – „wie die das intern organisieren, ist ihr Problem“. Für seine Fraktion sprach er von einem „eindeutigen Votum“ für die Senatslinie.

Die Verhandlungen über den Solidarpakt im öffentlichen Dienst, der jährlich eine halbe Milliarde Euro Personalkosten einsparen sollte, waren vergangenen Donnerstag gescheitert. Senat und Gewerkschaften wiesen sich gegenseitig die Schuld daran zu. Das Angebot des Senats sah einen „Einstellungskorridor“ für rund 7.000 Nachwuchskräfte und Verzicht auf Kündigungen vor. Dafür sollten Tariferhöhungen für vier Jahre, Urlaubsgeld und – für höhere Einkommensgruppen – das Weihnachtsgeld für drei Jahre ausgesetzt werden.

Nach dem Scheitern der Gespräche soll vor allem ein Einstellungsstopp die bereits im Haushalt 2003 fest eingeplanten Einsparungen ermöglichen. Das betrifft vor allem jene 4.000 zusätzlichen Lehrerstellen, die SPD und PDS laut Koalitionsvertrag bis 2006 einrichten wollten. Auf 1.600 davon will der Senat laut Liebich verzichten, außerdem auf 860 von geplanten 1.900 Neueinstellungen bei der Polizei.

Alle einseitigen Maßnahmen ließen sich aber zurücknehmen, betonten beide Fraktionschefs gestern. „Die Tür bleibt offen“, sagte Liebich. Müller schloss allein Höhe und Zeitraum der Einsparung von Verhandlungen aus. Von den Gewerkschaften verlangte er, sich „über die eigene Interessenvertretung hinaus“ Gedanken über die Zukunft Berlins zu machen.

In einem weiteren Antrag für die Parlamentssitzung in der nächsten Woche fordern SPD- und PDS-Fraktion den Senat auf, sich im Bundesrat für Vermögen- und Erbschaftsteuer einzusetzen. Als Richtwert für daraus zu erwartende Landeseinnahmen nannte Liebich 200 Millionen Euro jährlich.

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