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„Henning Scherf ist nicht das Problem“

Knirschen in der Koalition: SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen, die Schwäche der CDU und das Liebäugeln mit Rot-Grün

taz: Schwarz und Rot lieben sich nicht. In der Bürgerschaft ist das erneut deutlich geworden, als Ulrike Hövelmann sagte, sie habe sich bildungspolitisch von der Großen Koalition verabschiedet.

Jens Böhrnsen: Frau Hövelmann hat sehr pointiert darauf hingewiesen, dass es eine unterschiedliche Auffassung zwischen SPD und CDU zur Frage gibt, was nach der Orientierungsstufe folgt. Das ist bei der Wahl am 25. Mai 2003 mitentscheidend. Ich fand das nachvollziehbar.

Sie selbst haben darauf hingewiesen, dass Hartmut Perschau die Koalition für beendet erklären könne, wenn er das Hollerland bebauen wolle.

Es gibt keinen Automatismus für die Fortsetzung der Großen Koalition nach der Wahl. Wenn die Bebauung des Hollerlands die CDU-Bedingung für die Fortsetzung der Großen Koalition ist, gibt es keine Große Koalition.

In der Bürgerschaft beklatschen sich Grüne und SPD oft, die CDU sitzt außen vor. Ist das nicht alles sehr seltsam?

In der Bürgerschaft gibt es die Große Koalition bis zum Wahltag. Dass häufig die Nähe zwischen Rot und Grün deutlich wird, kann nicht überraschen – immerhin haben wir so eine Koalition auch auf Bundesebene. Da gibt es Schnittmengen.

Als da wären …

… neben der Bildungs- auch die Umwelt- und die Stadtentwicklungspolitik.

Wo hakt’s?

Die Grünen müssen ihr Verhältnis zum Sanierungskurs klären. In dieser Legistur haben sie sich mit Kritik begnügt.

Wie sehen Sie zurzeit die Bremer CDU?

Die Partei hat das desaströse Wahlergebnis von 24,5 Prozent bei der Bundestagswahl noch nicht verdaut. Sie muss sich erst wieder da reinfinden, konstruktive Politik zu machen.

Auch Frau Wischer, Frau Röpke oder Herr Lemke sprechen sich derzeit mehr oder minder öffentlich gegen die Große Koalition aus – sind das nur Drohgebärden?

Wir drohen nicht, wir müssen bis zum 25. Mai konstruktive Politik machen.

Das Problem scheint nur noch Henning Scherf zu sein – macht er nun doch mit, wenn der Rest der Partei nach der Wahl für Rot-Grün plädiert?

Henning Scherf ist kein Problem, sondern ein über alle Maßen akzeptierter Bürgermeister.

Wer gewinnt, wenn die Partei hü und Scherf hott macht?

Das ist eine falsche Beobachtung.

Die Alternative wäre, gleich auf jemanden zu setzen, der mit Rot-Grün kein Problem hat: Willi Lemke.

Wir gehen mit Henning Scherf als Spitzenkandidat in die Wahl.

Auch mit einer Koalitionsaussage?

Nein. Eine SPD, die bei der Bundestagswahl 48,6 Prozent gewonnen hat, definiert sich nicht über Koalitionen.

Wie fatal das sein kann, hat die FDP gesehen. Und: Wäre es nicht fair zu sagen, mit welcher Politik Bremen rechnen muss?

Herr Westerwelle mit seiner Spaßpartei ist für die Bremer SPD kein Vorbild. Wir müssen mit unserer Politik die Menschen überzeugen. Nur wenn es nicht reicht, werden wir uns nach einem Partner umsehen – aber erst nach der Wahl.

Fragen: Kai Schöneberg

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