: Verhaftung im Morgengrauen
Die plötzliche Festsetzung von Achmed Sakajew hat Skepsis ausgelöst – hatte ihn der dänische Geheimdienst doch schon vor seiner Einreise überprüft
aus Kopenhagen REINHARD WOLFF
Ob es tatsächlich konkrete Terrorbeweise gegen Achmed Sakajew (siehe Kasten) gibt, ist unklar. Die dänischen Veranstalter des „Tschetschenischen Weltkongresses“ und die linke Opposition in Kopenhagen vermuten, dass sich die dänische Regierung lediglich dem Druck Moskaus gebeugt hat.
Sakajew war kurz nach Beendigung des Kongresses in Kopenhagen am gestrigen Morgen um 2 Uhr in seinem Hotel verhaftet und am Mittag von einer Haftrichterin in bis zum 12. November befristete Untersuchungshaft genommen worden. In der Zwischenzeit will die Justiz prüfen, ob die aus Moskau vorgelegten Beweise für eine Auslieferung von Sakajew ausreichen.
Die russischen Justizbehörden behaupten, Beweise dafür zu haben, dass Sakajew in den Jahren 1996 bis 1999 „Terrorhandlungen“ begangen habe. Außerdem sei er an der Geiselnahme in Moskau in der vergangenen Woche beteiligt gewesen. Gegen Sakajew liegt seit 2001 ein russisches Auslieferungsbegehren bei Interpol vor. Trotzdem konnte sich der Exilpolitiker in den letzten Jahren frei im Ausland bewegen, auch in verschiedenen westlichen Ländern. Es ist auch bekannt, dass der dänische Verfassungsschutz PET alle zum „Tschetschenischen Weltkongress“ angemeldeten TeilnehmerInnen vorab geheimdienstlich überprüfte und in „Zweifelsfällen“ Einreisevisa verweigerte. Nicht so bei Sakajew. Vorwürfe aus Moskau im Vorfeld des Kongresses, dieser sei ein „Terrorist“, hatten die dänische Regierung und die Behörden mit Hinweis darauf zurückgewiesen, dass man hierfür keinerlei Anhaltspunkte habe.
Jeppe Kofod, außenpolitischer Sprecher der dänischen Sozialdemokraten zeigte sich denn auch „überrascht“ und ausdrücklich „äußerst misstrauisch“: Schließlich habe Sakejew in der Vergangenenheit unbehelligt reisen können. Noch kritischer äußerte sich Holger K. Nielsen, Vorsitzender der dänischen Volkssozialisten: Moskau wolle offenbar den gerade abgeschlossenen Kongress diskreditieren.
Dänemarks Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen sprach von einer „ganz normalen Justizaktion“. Kopenhagen beuge sich in keinster Weise russischem Druck. Gleichzeitig beklagte er aber, dass der fragliche Kongress die russisch-dänischen Beziehungen belaste, und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass es insoweit zu einer Klärung und zum Ende von Übergriffen gegen dänisches Eigentum – in der Nacht zum Mittwoch war die dänische Botschaft in Moskau mit Steinen und Farbbeuteln beworfen worden – kommen werde. In dänischen Medien wurde spekuliert, dass nur neue Beweise die dänische Justiz zum jetzigen Vorgehen gegen Sakajew hätten veranlassen dürfen. In diesem Zusammenhang wurde auf den Mobilfunkverkehr zwischen den Geiselnehmern und tschetschenischen Politikern als mögliche Quelle verwiesen. Nach dänischem Recht ist eine Auslieferung dann nicht möglich, wenn dem Betroffenen die Todesstrafe droht. In der Vergangenheit hatte Dänemark allerdings auch in solche Länder ausgeliefert – aber nur, wenn versichert wurde, dass die Todesstrafe nicht verhängt werde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen