: Gibraltar gegen Madrid und London
Fast 99 Prozent stimmten bei Referendum gegen die Pläne Londons und Madrids, die Souveränität zu teilen
MADRID taz ■ „Sind Sie damit einverstanden, dass Großbritannien und Spanien die Souveränität über Gibraltar gemeinsam ausüben?“, lautet die Frage, über die am Donnerstag die 20.500 Wahlberechtigten der britischen Kronkolonie Gibraltar abstimmten. 98,97 Prozent stimmten wie von Chiefminister Peter Caruana vorgeschlagen mit Nein. Nur 187 Personen waren gegenteiliger Meinung. Die Wahlbeteiligung lag bei stolzen 87,9 Prozent. Der Urnengang bestätigte einmal mehr: Die Einwohner der Kronkolonie im Süden Spaniens wollen Briten bleiben, egal was London und Madrid aushandeln.
Zwar gibt es bis heute keine Einigung zwischen London und Madrid über die Zukunft des Felsens an der Meerenge, die Europa von Afrika trennt. Doch Caruana will darauf nicht warten. Sein gegen den Willen Londons und britisches Recht durchgeführtes Referendum soll weiteren Verhandlungen über die Landzunge, die vor 300 Jahren nach einem Krieg von der spanischen an die britischen Krone ging, von vornherein einen Riegel vorschieben.
Dazu hatte Caruanas Regierung auch mit einer großen Werbung in Großbritannien für einen weiteren Verbleib Gibraltars beim Mutterland geworben. Er stieß damit bei vielen Briten auf offene Ohren. London hat seither den Rhythmus der Verhandlungen mit Madrid gedrosselt. Die für den Sommer erwartete Einigung blieb bisher aus. Umstritten sind vor allem drei Punkte: Spanien will nach einer möglichen Einigung einer Befragung der Bevölkerung Gibraltars nur dann zustimmen, wenn die Alternative zur Co-Souveränität nicht die Selbstbestimmung ist. Und Madrid lehnt Londons Wunsch ab, Gibraltars Militärhafen weiterhin allein zu verwalten. Spanien will auch die Co-Souveränität befristen, um später die vollständige Rückgabe der Kolonie einfordern zu können.
„Heute haben wir ein klares Zeichen an alle Welt gesandt“, jubelte Gibraltars Regierungschef Caruana noch am Wahlabend. Das Referendum ist ein harter Schlag für die monatelange Verhandlungsarbeit des britischen Außenministers Jack Straw und seiner spanischen Kollegin Ana Palacio. Während der britische Premier Tony Blair sich vor dem Referendum ausschwieg, war sein spanischer Amtskollege und Freund José María Aznar weniger diplomatisch. Er bezeichnet die Volksabstimmung als „illegal und irrelevant“. Damit dürfte er in Gibraltar keine Sympathien für Spanien schaffen.
„Wir werden auch weiterhin auf die Meinung der Bevölkerung hören“, brach der britische Europaminister Denis McShane am Tag nach der Abstimmung das Schweigen seiner Regierung. Zugleich ließ er jedoch durchblicken, dass mit Madrid weiter verhandelt wird. „Tatsache ist, dass es für Gibraltar keine stabile Zukunft gibt, solange der Streit mit Spanien weitergeht“, erklärte McShane. REINER WANDLER
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