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Gefährlich unsafe

Bald ist wieder Welt-Aids-Tag: Und er ist nötig. Denn seit es mehr Medikamente und weniger Prävention gibt, sind Kondome aus der Mode

AIDS ist aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden

von SANDRA WILSDORF

In Deutschland leben etwa 38.000 Menschen mit HIV und Aids, in Hamburg tragen etwa 4000 Menschen das Virus, 500 haben Aids. Jedes Jahr infizieren sich allein in Hamburg 200 bis 250 neu. Und trotzdem: „Das Thema ist aus der öffentlichen Wahrnehmung praktisch verschwunden“, sagt Petra Klüfer von der Hamburger Aids-Hilfe.

Damit sich das ändert, haben die Mitglieder der Landesarbeitsgemeinschaft Aids zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember etliche Veranstaltungen organisiert: Am 23. und 24. November spielt der „Der Kulturbeutel“ im Magnus Hirschfeld Centrum „Sag‘s Detlev“ und „Dreifacher Rittberger“, am 25. November erzählen Betroffene bei „Hein & Fiete“, am 29. November gibt es einen Aids-Gottesdienst in der St. Petri-Kirche mit anschließendem Candlelight-Walk und „Red, Hot & Dance Party“ im Curiohaus. Am 1. Dezember ist ein Ökumenischer Vespergottesdienst im Michel. Außerdem zeigen Geschäfte in St. Georg vom 18. bis 30. November Exponate der Aussstellung „Antikörper“. Die wollte die Aids-Hilfe eigentlich in U- und S-Bahnhöfen der Hansestadt zeigen. Doch das scheiterte an den Behörden.

Für den Aids-Gottesdienst werden auch Gäste aus Hamburgs Partnerstadt St. Petersburg erwartet: Vertreter einer Selbsthilfegruppe, eines Straßenkinderprojektes und einer Drogenhilfe sowie eine Ärztin, die mit HIV-Infizierten arbeitet. Der GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Farid Müller sagt: „In Russland gibt es offiziell 200.000 Infizierte, doch inoffiziell sind es eher eine Million.“ Das wird zunehmend auch ein Hamburger Problem: Immer mehr junge Stricher aus Osteuropa arbeiten rund um den Hauptbahnhof, viele von ihnen infiziert und für Prävention unempfänglich.

Die Aids-Projekte kämpfen aber auch in Hamburg gegen Diskriminierung und für einen neuen Aufbruch in der Präventionsarbeit. Der ist bitter nötig: Während den damals Jugendlichen Anfang der 90er das Kondom zum täglichen Gebrauchsgegenstand penetriert wurde und in der Gay Community fast jeder jemanden kannte, den das Virus erwischt hatte, „sagen mir heute Anfang 20-Jährige, sie hätten noch nie einen HIV-Positiven gesehen“, sagt Markus Straube von „Hein & Fiete“. Dahinter steht zum einen der naive Glaube, man könne HIV sehen. Zum anderen aber auch eine lebensgefährliche Unbefangenheit.

Aids-Seelsorger Rainer Jarchow sagt: „Die Leute wissen Bescheid. Aber sie handeln nicht danach.“ Und gehen auf Feten, die als „Unsafer Partys“ mit einem speziellen Kick werben. Auch Patricia Barth von der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz, die 55 HIV-betroffene Familien betreut, berichtet von heterosexuellen Frauen, die statt ans Kondom lieber an die Treue glauben. Vom sichtbaren Elend ist Aids zum unsichtbaren Leiden geworden. „In vielen Hinterköpfen gilt immer noch der Grundsatz: Krebs kriegt man, Aids holt man sich“, weiß Klüfer.

Die Helfer stecken in einem Dilemma: „Müssen erst wieder mehr Menschen infiziert werden?“, fragt Straube. Denn weil glücklicherweise weniger an dem Virus gestorben wird, verlöre es an Schrecken. Das Problem Aids habe sich „medizinalisiert, individualisiert und entsolidarisiert“, sagt Barth.

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